410
Theil.
Capitel.
Es wäre auch sonderbar, wenn die verschiedenen geistigen
Entwickelungsstufen und Strebungen innerhalb eines Volks-
ganzen nicht auch einen ebenso verschiedenartigen und ent-
sprechenden künstlerischen Ausdruck finden sollten: wie im
Volke überhaupt, so ist auch unter den Künstlern die Auf-
fassung der Natur und des menschlichen Wesens verschieden;
ein jeder hat den Gedankenkreis, in dem und durch den
er lebt, schafft und seine Befriedigung tindet.
Es ist bemerkenswerth, dass zu der Zeit, in welcher die
nachlassende geistige Spannkraft und Productivität des Volkes
einen materiellen Rückschritt bedingte und verursachte, auch
der geistige Rückgang selbst dadurch gekennzeichnet wird,
dass fast alle bedeutenden Künstler, welche das holländische
Volk hervorgebracht hatte, in verhältnissmässig kurzer Zeit
man möchte sagen, gleichzeitig dahinstarben. S0
sinken die Blätter und Früchte vom Baume, wenn die Lebens-
kraft
ziger
sich,
desselben versiegt. Holland hatte in der Mitte der acht-
Jahre des XVII. Jahrhunderts seine Blüthezeit hinter
es war gleichsam Herbst geworden in der Entwickelung
seines
Volkslebens.
Da grosse Zahlen, welche sich aus kleinen Summen zu-
sammensetzen, für die zu Grunde liegenden Verhältnisse
statistische Beweiskraft besitzen, so führe ich nach Commelin
an, dass die freiwilligen Gaben, Welche in Amsterdam für
die Diakonissen gesammelt wurden, in den sechziger und
siebziger Jahren und bis 1682 ihre grösseste Höhe erreichen,
indem sie jährlich über 300,000 Gld. betragen und also
Reichthum und Freigebigkeit für edle Zwecke bezeugen,
dass sie darnach aber zu sinken beginnen.
Wie die Zeiten sich änderten, so auch die Künstler,
welche dem geistigen Inhalte ihres Publikums völlig ent-
sprechen. Bol und die mit ihm lebenden Künstler hatten