1363
Königl.
der
Dresden.
Gemälde-Galerie
stofflichen
Mittel
zunächst
nicht
denken.
Alles
an
dem
Bilde ist so künstlerisch durchdacht, so tief empfunden, so
einfach, klar und überzeugend dargestellt, dass sowohl der
Einfältige wie der Geistreiche davon befriedigt und ergriffen
sein muss. Von dem Meister, der dieses Bild erdacht, darf
man gewiss sagen: „semper ad eventum festinat et in
inedias res" (immer strebt er zum Endzweck und trifft das
Wesen
der
Dinge)-
Wenn
wir
VO n
dem
Kunstwerke
auf
den
Künstler
schliessen dürfen, so
Künstler, welcher den
muss unsere Folgerung lauten: der
'I'rau1n Jacobs in dieser Weise inter-
pretirt
Lmd
dargestellt
hat ,
ist
ein
Geist
ersten
Ranges
gewesen.
Eine Weitere Folgerung jedoch drängt sich demjenigen,
welcher von dem Kunstwerke auf den Künstler schliesst,
fernerhin auf: der Genius, Welcher im "Traum Jacobs" das
Kreuz als Himmelsleiter malte, War kein naiver Künstler,
wie man dies gewöhnlich von den holländischen Malern
annimmt. Er war vielmehr ein tief denkender Mann, ein
Geist, der in bewusstem Streben reiche Vorwürfe des Ge-
dankens künstlerisch ausgestaltet; er War ein reicher und
tiefer Geist, ein edles Geinüth, ein Wohlgebildeter Charakter,
eine feinsinnige, aber grosse und starke Natur, Welche die
gewaltigsten Regungen des Seelenlebens kennt, ein Dichter
der Seele.
Solch ein geist- und phantasiebegalntcr Künstler hatte
die Möglichkeit viel, sehr viel zu schaffen er konnte sich
geistig nicht leicht erschöpfen, und man sollte meinen,
wenn er die Verheissung mit so intuitivem Blick ge-
stalten konnte, so musste er den ganzen Stoff viel in
seinem Geiste bewegt haben und er musste den Drang in
sich fühlen, der Verheissung auch die Erfüllung hinzuzu-