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Theil.
Capitel.
der neuen Acten noch nicht kannte, welche von 1884 ab
erschienen sind und die uns Rembrandt nicht nur als un-
productiv, untüchtig und arbeitsscheu darstellen, sondern
ihn auch als einen charakterlosen Wicht mit nur mangelhaft
ausgebildetem Gemüthsleben erkennen und deshalb seine
Autorschaft gerade an diesem Bilde unmöglich erscheinen
lassen, Würde ich mich auch aus anderen Gründen seiner
Meinung; nicht angeschlossen haben.
Dieses Bild, welches zu den herrlichsten Schöpfungen
der Malerei zählt, kann nicht das Werk eines alternden
und entkräfteten Künstlers gewesen sein, wie Rembrandt
es war. Es ist das ausgereifte Werk eines Herrschers
im Bereiche seiner Kunst, der sich im Vollbesitze
seiner Körper- und Geisteskräfte und besonders auch
seines Sehvermögens befand.
Deshalb zahle ich dieses Bild nicht zu den letzten
Werken Ferdinand Bol's, sondern bin vielmehr der Meinung,
dass es noch vor dem jetzt in Berlin befindlichen Bilde
"Joseph wird von Potiphafs Frau verklagt" entstanden ist.
Die grandiose Spachtelbehandlung der Gewänder in dem
Bilde im Museum van der Hoop ist allerdings frappirend
kühn, die Malerei der Köpfe jedoch ist weit zurückhaltender,
ist eingehend, intim, verschmolzen. Besonders sind Gesicht
und Hände des jungen Mädchens, im Verhältnis zu später
entstandenen Werken, sehr zart behandelt. Dagegen ist
der Kopf der Potiphar trotz des viel kleineren Formates
verhältnismässig breiter gemalt, während die Gewandung
dieselbe Technik wie "auf dem besprochenen grossen
Bilde zeigtß)
und
1) Der herrliche Kopf eines Greises, der bereits genannt wurde,
z. B. das Portrait des sogenannten Sylvius können später entstanden