Einleitung.
2
„Nicht hoch genug", sagt Graf von Schack, „können die
Verdienste, welche sich dieses Land um die Menschheit er-
worben hat, angeschlagen werden. Dasselbe ist als die
Geburtsstätte der Geistesfreiheit im neueren Europa zu be-
trachten." Und dieser moderne, der Natur und Realität
zugewandte und doch religiöse und ideale Geist spricht zu
uns die edelste Sprache durch jene herrlichen Bilder, welche
dem gefeierten Namen Rembrandts zugeschrieben Werden.
Aus diesem grossen und modernen Culturaufschwung
Hollands ist es verständlich, dass diejenigen YVerke, Welche
als die höchste Culturblüthe dieses Volkes angesehen werden,
die dem berühmten Namen Rembrandts zugeschriebenen
Historienbilder und Portraits, gerade uns, in unserer, auch
der realen Natur und dem Wohlergehen des Gemeinwesens
zugewendeten Zeit und einer die Menschenwürde aner-
kennenden Zeitrichtung, das grösseste Interesse abgewinnen.
Und freilich, der Geist, der sie schuf, ein höchster Aus-
druck eines germanischen Volksstammes, ist uns eng ver-
wandt!
Wenn auch seine Gestalten in den Historienbildern uns
nicht in einer der neuesten wissenschaftlichen Forschung
entsprechenden historischen Gewandung entgegentreten, so
ist die in denselben seitens des Künstlers zum Ausdruck
gebrachte Auffassung der Welt und des Menschengeistes
gleichwohl so gross und tief und doch so beredt und all-
gemein verständlich in seiner vielfältigen, scheinbar ein-
fachen Wiedergabe der biblischen Erzählungen, dass uns
seine Werke dauernd zu fesseln und zu erheben im Stande
sind. Die Wahl seiner Stoffe beschränkte sich dabei keines-
wegs auf das Neue Testament; wir finden vielmehr fast mit
Vorliebe Geschehnisse des Alten Testamentes in den Dar-
stellungskreis des grossen Meisters gezogen.