Prüfung
des
künstlerischen Entwickelungsganges Rembrandfs.
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Zeichnung
der
Figuren
als
auch
die
Regeln
der
Perspective
vernachlässigte.
Man kann von der Entwickelung eines Künstlers nicht
erwarten, dass dieselbeldurchaus den gerade aufsteigenden
Weg zur Höhe nehmen müsse, ohne Abweichung nach links
oder rechts oder kurze Aufenthaltsstationen.
So manches Genie ist auf Umwegen zu seinem Ziele
gelangt, und der Entwickelungsgang grosser Künstler, wenn
wir denselben graphisch darstellen wollten, würde ver-
schiedene Niveauschwankungen aufweisen. Der Menschen-
geist vermag es nicht sich in allem, was er schafft, auf
gleicher Höhe zu erhalten, denn die Spannkraft des Geistes
ist nicht immer dieselbe und die Bedingungen, unter denen
er schafft, sind nicht immer gleich günstig.
Wenn dies alles in Betracht gezogen Wird, so bleibt der
Entwickelungsgang Rembrandts dennoch eine Ausnahme
von Erfahrung und Regel, sobald wir annehmen, er habe
sich in der That so zollzogen, wie er sich, nach den
Datirungen der ihm zugeschriebenen Bilder betrachtet, dar-
stellt. Denn es handelt sich hier nicht um Schwankungen
in der Darstellungs- und Schaitenskraft eines Meisters,
sondern um ein Nachlassen oder völliges Versagen der
Gedächtnisskraft desselben.
Da Wir aber nicht annehmen können, dass ihn zeitweise
das Gedächtniss verlassen hat, so dass er sich plötzlich auf
Sich selbst, sein eigenes Wesen, seine Technik, sein all-
gemeines künstlerisches Können nicht mehr zu besinnen
vermochte, so müssen wir deshalb die Echtheit der
Datirungen bezweifeln, gemass denen vorzügliche Bilder
entweder gleichzeitig mit geringen Jugendwerken oder be-
rühmte Meisterwerke vor schülerhaften Erstlingsarbeiten
entstanden
sein
müssten.