108 I. Theil. VI. Capitel.
2. Ist jener Rembrandt im Vergleich mit der gesammten
Künstlerwelt ein Widerspruch gegen jede Möglichkeit einer
künstlerischen Entwickelung, denn seine Phantasiekraft,
sein Compositions-Talent bewegen sich Wenn man die
Bilder nach den darauf gesetzten Jahreszahlen genau verfolgt
und betrachtet dauernd in sonst bei einem Künstler un-
bekannter, gesetz- und regelloser Niveauschwankung.
3. Ist Rembrandt auch in ökonomischer Beziehung eine
Ausnahme gegen die Regel; er soll eine sehr grosse Zahl
der vortrefflichsten Bilder gemalt haben, wird auch, wie
wir gesehen haben, sehr gut bezahlt, bringt es aber nicht
einmal dazu, die geringste Summe zu besitzen, zahlt länger
als ein Jahrzehnt nicht einmal die Zinsen. geliehener Capi-
talien und stirbt ganz arm.
4. Wird er von den besten Männern seiner Stadt nicht
anerkannt, sogar zum Theil von ihnen verspottet, obwohl
er, Wie die Bilder und Radirungen bezeugen, den trei-
benden Zeitgedanken einer grossen Blütheepoche (in der die
Geister hell und empfänglich sind) den vollendetsten Aus-
druck giebt. Wenn Rembrandt "Rembrandt" ist, so
ist jene ganze Epoche unverständlich betreffs ihrer consti-
tuirenden Merkmale, also in ihrem Wesen und Dasein
unerklärlich.
Eine solche allseitige und absolute Ausnahme von den
Gesetzen des Geisteslebens ist unmöglich. Entweder irren
die Notariatsacten oder-Rembrandt ist nicht "Rembrandt"
und über den Begriff "Rembrandt" herrscht ein grosser, fast
unglaublicher Irrthum.
Da aber die Notariatsacten nicht irren können, da ferner
über die moralische Qualität dessen, was sie über Rem-
brandt berichten, ein Zweifel nicht herrschen kann und darf