106
Theil.
Capitel.
kurz
nach
nach
und
seinem 35. Lebensjahre, moralisch zu sinken,
nach zu versinken und unterzugehen. Bei der
Betrachtung der ihm zugeschriebenen Geisteswerke müsste
man zu dem Schlusse kommen, dass jene künstlerische Ver-
vollkommnung und seine moralische Verschlechterung sich
gleichzeitig vollzogen, in
Gehirn, demselben Geiste.
derselben Person, in demselben
Was Rembrandt an moralischer
Kraft verlor, gewann er an künstlerischem Vermögen! Und
dazu liegt die künstlerische Vervollkommnung des betreffenden
Meisters vor Allem auch in einer stetig bedeutsameren und
veredelteren Auffassung der dargestellten Charaktere, Welche
wie z. B. Christus von dem Künstler doch sicher auch
als Verkörperung des Moralprincips der Welt, als Sinnbild
und Beispiel (im Kanfschen Sinne)1) des Guten, Edlen,
Menschenwürdigen verstanden wurde. Der Geist des Künstlers
erweitert und vertieft sich, nach den betreffenden Werken
zu schliessen, in dem Grade, als sein Charakter schlechter
und erbarmlicher Wird! Die Verrohung seines Geistes er-
möglicht ihm eine stetig verfeinerte Auffassung des geistigen
und besonders seelischen Gehaltes der Natur- und Menschen-
Welt !
mehr sich sein Bewusstsein von "wahrer Menschlich-
keit entfernt, desto intimer wird die Darstellung derselben;
je geringer seine Fassungskraft für dieselbe ist, desto klarer
kommt sie zum künstlerischen Ausdruck. Was er nicht
in der Se ele hat, das entquillt derselben unaufhörlich und
gestaltet sich durch diese rohe Hand hindurch zu un-
sterblichen YVerlcen. "Was er nicht fühlt, das kann er
doch erjagen! Frln ergreifend stimmungsvollen Landschaften,
in vornehmsten Portraits und hoheitsvollen Historienbildern
bringt
den
waltenden
Geist
der
Welt
zum
wahren
Aus-
der
1) Kant, Metaphysik
Sitten.