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Theil.
Capitel.
auch solle er im Falle der Noth berechtigt sein, die Substanz
desselben anzugreifen. Rembrandt sucht also in einem Alter
von 51 Jahren (in der Zeit des höchsten künstlerischen
Wissens und Könnens eines Malers, Wie man annehmen
sollte und auch für Rembrandt angenommen hat), Rettung
in dem Testament seines löjährigen gesunden Sohnes.
Dieser Mann, der sich selbst, sein besseres Theil verloren
hatte, vermochte keine hohen Ideen mehr mit Pinsel und
Farbe
Zll
verwirklichen.
Wer aber "Jacobs Segen," die "Anbetung der Könige,"
den Bruyningh, den Jan Six, die Staalmeester und der-
gleichen zu malen im Stande war, Bilder voll hoher, sitt-
licher Ideen, von gewaltiger Technik, voll hoheitsvollen
Ausdruckes und kraftvollsten künstlerischen Vermögens,
der hätte in solcher Lage lieber in jeder beliebigen und
vom Publikum etwa begehrten oder bevorzugten Stilart ge-
malt, wenn diese herrlichste Inalerische Stilart seinen Mit-
bürgern und Zeitgenossen etwa nicht geüel oder genügte,
als dass er so kläglich für die blosse Existenz kapitulirte.
Bei einem armen, kranklichen kleinen Handwerker, der
alt und schwach geworden ist, fanden wir das vielleicht
begreiflich, nicht aber bei einem grossen Genie, das noch
unerreichte künstlerische Schöpfungen in seines "Hauptes
gewölbter Welt" trägt.
Beethoven hatte das Unglück gegen sein Alter hin taub
zu werden. Man könnte glauben, dass er mit dem Verluste
des Gehörs die Hauptbedingung für seine Künstlerschaft
eingebüsst habe. In der That, wenn nämlich nicht die
eigentliche Ursache aller künstlerischen Production der Geist
selber wäre, mit dem man combinirt und schafft, das Gehör
des Gehörs, das Sehen des Auges, die gestaltende Kraft, in
der Ton, Farbe und Form schöpferisch lebendig werden!