Volltext: Bis zum Tode Julius II. (Bd. 1)

RAFFAED S 
JUGEND 
UND 
LEHRZEIT. 
diefe Auffaffung nichLdllrch den Gegenfland gegeben erfcheint  was 
hat der Weltenrichter mit der Verherrlichung des Camaldulenferordens 
zu thun? Ä fo liegt der Schlufs nahe, dafs er, der geringen Fruchtbar- 
keit der unmittelbaren Aufgabe Hch bewufst, die Geflalt Chrifli einer 
andern Scene entlehnt hat. Ihm fchwebte ohne Zweifel ein Bild des 
Weltgerichtes vor Augen, und zwar eine ganz befiimmte Wiedergabe 
deäfelben, die Freske des Fra Bartolommeo in S. Maria nuova in Florenz. 
Hier fah Raffael das Motivmab, welches er in dem Gewande Chrifli 
wiederholte, den quer über den Schoofs liegenden weit hinausragenden 
Mantelwulfi, bei Fra Bartolommeo durch den darunter {ich bergenden 
Engel gerechtfertigjcwlFig. 2 5); hier entdeckte er die KunPr, die Compofition 
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Gericht 
Gewandmotiv vom jüngften 
des Fra Bartolommeo. 
n_ach grofsen Linien zu gliedern, die einzelnen Gruppen mit regelnläfsigen 
geometrifchen Figuren zu umfchreiben. Kaum bedarf es des Hinweifes 
auf eine Oxforder Handzeichnung (Br. 15), welche aufser Naturftudien 
fürN die Hände des h. Johannes und den Kopf des h. Placidus eine bei 
aller Flüchtigkeit doch deutliche Skizze der Reiterfchlacht Leonardds 
enthält, um die Horentiner Herkunft der Freske in San Severo darzu- 
thun. Der grofsartige Raumfinn, die architektonifche Gefetzmäfsigkeit 
dermAnordnung, die feierliche Symmetrie bei aller Lebensfülle und Natur- 
wahrheit der Einzelgeftalten find der umbrifchen Schule ebenfo fremd 
wie fie den eigenthümlichen Vorzug der Horentiner Kunft bilden. Durch 
GiQUQ und feine gchule wurde diefer der Wandmalerei befonders ent- 
fprechende Stil hier feft begründet und lebte, nachdem er im Laufe des 
fünfzehnten Jahrhunderts über dem Streben, der äufseren F ormenwelt 
Herr zu werden und die technifchen Mittel zu erweitern, eine Lockerung
	        
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