RAFFAEUS
JUGEND
UND
LEHRZEIT.
abfichtlich auf einen älteren, dem kirchlichen Zwecke mehr gemäfsen
Typus zurückgegriffen. s") '
Im Jahre I 505 hatte {ich bereits Raffael längPc vollkommen in das
florentiner KünPtwefen eingelebt. Zu diefer Annahme zwingt, von
Anderem abgefehen, die Compofition der Freske in der Kirche San
Severo in Perugia, im Jahre 150 5Tbegonnen, aber unvollendet zurück-
gelaffen. NVährend in den früheren Werken Raffaels die Einzelheiten
feinen überlegenen, rafch voranfchreitenden Geift bekunden, die allgemeine
Anordnung und Gruppirung aber innerhalb der Schulgrenzen {ich halten,
offenbaren in der Freske von San Severo nur noch die Details den
umbrifchen Urfprung des Meifters und erfcheint gerade die Cornpofltion
bereits unter dem Einfluffe von Florentiner Kunftidealen gefchaffen. Die
Mitte des leider arg zerftörten, von einem Spitzbogen eingerahmten
Bildes nimmt ChriPtus ein. Sein Oberkörper ift nackt, bis auf den linken
Oberarm, über welchen ein Mantelftreifen gewunden i{t, der im Schoofse
wie eine WulPc quer gelegt, dann in reichen Falten bis zu den Füfsen
herabfallt. Die beiden Arme hält Chriftus _erhoben, die Rechte zum
Segen ausgeftreckt. Ueber ihm {chwebt die Taube und ganz oben, halb
iniilxVolken gehüllt (jetzt zerPcört), der fegnende Gottvater. Vier Engel
begleiten die dreieinigen Perfonen. Zwei kleinere, im- zierlichen Tanz-
{chritte {ich bewegend, halten Rollen in den Händen; zwei feine Jünglings-
figuren, deren Körperformen durch die an den Leib angeprefsten Ge-
wänder durchfcheinen, {tehen anbetend Chriftus zur Seite. Rechts und
links von diefer Centralgruppe, die {ich von einer Kreislinie umfchreiben
läfst, auf etwas tieferem Plane fitzen auf Wolken fechs Heilige des
Benedictinerordens, würdigernfie Geitalten mit markigen Köpfen, in weiten
faltigen Gewändern. Die Reihe beginnt links mit dem h. Maurus, an
welchen {ich die Heiligen Placidus (im Diakonenkleide) und Benedictus
anfchliefsen. Diefer, wie der ihm gegenüberfltzende Romualdus, ein
langbärtiger Greis, blickt voll Andacht zu Chriftus empor, zeigt noch
am Imeiften den umbrifchen Charakter. Neben Romualdus fltzt ein zweiter
Benedictus, durch Palme und Kleid als Märtyrer und Diakon charakte-
rifrrt, und endlich an der äufseren Ecke eine hagere, fcharf profilirte
Figur, der rechte Typus eines {ich kafteienden Mönches, der heilige
Jchannes. (Fig. 24.)
In Chriflus hat Raffael offenbar den Weltenrichter verkörpert. Da
Die angebliche Predella, Predigt
Johannes, in Bowood ifi das Werk
eines Florentiners.
m) Arg zerßört und neu übermalt
von Confoni. Stich von j. Keller.