Volltext: Bis zum Tode Julius II. (Bd. 1)

PREDELLA 
ZUR 
KRÖNUNG 
MARIE. 
in den weiten kahlen Bogenhallen. Auch die Darfiellung im Tempel 
geht in ähnlichen, von Säulen getragenen und gewölbten Hallen vor 
fichff") Doch erfcheinen die letzteren bgffer gefüllt und werden vom 
Künftler in gefchickter lIVeife benützt, den Vorgang fchärfer zu gliedern. 
Im mittleren Raume hinter dem Altare fleht der greife Hohepriefler und 
empfängt aus den Händen Marias das Chriftkind, welches fich offenbar 
feine Mutter zu verlaffen fträubt und die Aermchen verlangend nach ihr 
auisflreckt. Der Madonna gegenüber befindet flch Jofeph, eine edle kräf- 
tige Geflalt, die wie der Hohepriefter vielfach an die gleichen Perfonen 
im Spofalizio erinnert. Er hat die eine Hand auf den Altar gelegt, 
Während er mit der anderen den weiten Mantel fchürzt. In dem feit- 
lichen Bogengange halten fich links drei Frauen,_rechts vier Männer auf, 
ruhige Theilnehmer des Vorgangs, im Gefpräche unter einander begriffen 
Oder der Hauptperfon fich nähernd. Wenn hier noch für das Materielle 
der Compofition Peruginds Mufter (in Fano) angerufen werden kann, fo 
enthält das mittlere Predellenbild, die Anbetung der Könige und Hirten, 
bereits die Löfung diefer F effel und Eoffenbart den Gewinn Raffaefs an 
Selbfländigkeit und freiem Ueberblicke der Formenwelt. In richtiger 
Berechnung der ihm gebotenen Fläche gab er feinem Bilde nur nach 
der Breite eine gröfsere Entwickelung. Er fah von der herkömmlichen 
Cgmpofition ab, Welche der Madonna mit dem neugebornen Kinde den 
mittleren Ehrenplatz einräumt und die Könige mit ihrem Gefolge zu 
beiden Seiten gleichmäfsig anreiht und liefs die letzteren vielmehr im 
lefäitftlichen Zuge eben ankommen. Die Führer fchreiten der heiligen 
Fgamilie; entgegen, welche rechts beinahe in der Ecke vor einem ver- 
fallenen Haufe die Gefchenke entgegennimmt und nur noch eine Hirten- 
grüppe neben {ich hat. So brachte er neues, frifches Leben in die 
Diirftellung. Als Vorbild für einzelne Gefialten dient aber nicht mehr 
ausfchliefslich fein Meifter, er hat {ich in der weiten umbrifch-toskanifchen 
Schule iumgefehen, derfelben einzelne Lieblingstypen abgelaufcht und mit 
trefflichem Erfolge wiedergegeben. Einen fchmucken Jüngling im eng- 
anliegenden Kleide, fo dafs die-Körperform deutlich fichtbar ift, bald 
breltfpurig auftretend, bald mit gekreuzten Beinen, den einen Arm an 
der Hüfte, mit dem anderen auf einen Stab geftützt, hat bereits Signorelli 
mit Vorliebe feinen Bildern einverleibt, fein Beifpiel namentlich auch bei 
Pinturicchio (in Siena) Nachahmung gefunden. Diefe Figur hat mit der 
Handlung nichts zu thun, legt aber von dem plaflifchen Sinne des Künft- 
L 
m) Federzeichnung 
in Oxford. Br. 6. 
der Mittelgruppe 
M) Carton mit der Feder gezeichnet, 
im Mufeum zu Stockholm.
	        
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