RAFFAEDS
JUGEND
UNI)
LEHRZEIT.
lerifchen Auffaffung wird von feinem Auge aufgefangen, hinterläfst in
feiner Phantafle einen tiefen Eindruck. Der Wiederfchein des Einfluffes
einer langen Reihe von Meiftern lagert auf feinen Werken. Auch, wo
uns die Tradition verläfst, entdecken wir durch die Stilvergleichung die
Spuren des Feuereifers Raffaefs, fich über die verfchiedenen Kunftftrö-
mungen zu unterrrichten und aus denfelben für die eigene Entwickelung
Nutzen zu fchöpfen. Wie viele Meifter klingen nicht in Raffaefs NVerken
an: Perugino und Pinturicchio, Francia und Fra Bartolommeo, Leonardo
und Sebaftian del Piombo, endlich Michelangelo. Wie tief hat er flch
in die Antike eingelebt, fo dafs die Wiederaufnahme derfelben in den
Kunftkreis des fechzehnten Jahrhunderts vornehmlich auf fein Beifpiel
zurückgeführt werden mufs. Dennoch verleugnet er niemals feine Selb-
ftändigkeit; er beharrt in keinem einzigen Falle bei der blofsen Nach-
ahmung der äufseren Manier, fondern weifs ftets die fremden Elemente
mit feiner perfönlichen Eigenart auf das engfte zu verfchmelzen. Er
bleibt immer von den Iugendjahren bis an fein Lebensende nur Raffael,
fo offen fich auch feine Natur gegen äufsere iAnregungen erfchliefst.
Diefe Thatfache berechtigt zu dem Schluffe, dafs flch das künftlerifche
Wefen in Raffael bereits zu einem feften Kern verdichtet hatte, ehe er
mit einer der grofsen Lokalfchulen in Berührung trat. In ftiller Ruhe
bildete er frühzeitig feine natürlichen Anlagen aus, entwickelte den
Formenfinn und übte das Auge, fo dafs er den mannigfachen Schul-
richtungen fpäter eine gewiffe Widerftandskraft entgegenftellen konnte,
von ihnen lernte, aber nicht überwältigt wurde. Diefe ftille Mufse und
die Gelegenheit zu frifcher Selbltentwickelung fand er in feiner Heimat,
wo es wohl einzelne Künftler, aber keine bevormundende Schule gab.
So führen auch diefe Erwägungen zu der Annahme eines längeren Auf-
enthaltes in Urbino, bevor er Peruginois Werkftätte befuchte.
Ueber den Mann, welcher Raffaefs frühefte Verfuche leitete, itehen
uns vorläufig nur Vermuthungen zu Gebote. Giovanni Santi hatte einen
Gehilfen (garzone) Namens Evangelifta Pian da Mileto, welcher Giovannis
Teftament als Zeuge tinterfchriebik), deffen künftlerifchen Nachlafs, wie
es fcheintgg), regelte und fpäter mit Timoteo Viti gemeinfam arbeitete. w?)
Im Jahre 1495 kehrte der letztere a1; Bologna in feine Heimat zurück
und wurde hier anfäfiig. Timoteo ift wohl derfelbe Maler, deffen An-
kunft die Herzogin Elifabeth von Urbino erwartete, um ihr zueri": dem
Giovanni Santi aufgetragenes Bildnifs malen zu laffen. Er ftand fpäter
Pungileoni, Elogio
Giovanni Santi. p. 1 36.
{lorico di
Notizie.
5 o 7.
Campori,
Vafari IV.