Volltext: Bis zum Tode Julius II. (Bd. 1)

MICHELANGELOS 
JUGEND. 
der Erben des Giovanni und Aleffandro Mofcheroni u. Comp. in Brügge?) 
In der Liäafxlauenltirche in Brügge am Ende des rechten Seitenfchiffes 
befindet frch auf dem Altar eine Marmorgruppe, die Madonna mit dem 
Chriftuskinde, etwas unter Lebensgröfse, aufgefiellt, welche fchon Dürer 
auf feiner niederländifchen Reife 1521 als ein Werk Michelangelds be- 
zeichnete, und in deren Nähe überdies der Grabftein eines fpäteren Pierre 
Moskeron liegt. Um fo mehr befremdet die ausdrückliche Bezeichnung 
des Werkes bei Condivi ials einer Erzarbeit oder wohl gar bei Vafari 
als eines Broncemedaillons. Gern nimmt man einen Gedachtnifsfehler 
der beiden Biographen an, welche die Brügger Madonna ja niemals mit 
eigenen Augen gefehen hatten. Unzweifelhaft beruht sie auf Entwürfen 
Michelangelds. Das britifche Mufeum und die Privatfammlung Vaughan 
in England befitzen die erften Skizzen und Studien des Meifters zu der 
Brügger Madonna. Auch ein forgfaltig gezeichneter Madonnenkopf in der 
Windforfammlung (Ph. No. I8.) hängt offenbar mit dem Werke zufammen. 
Die Ausführung in Marmor zeigt aber theilweife eine weiche Glätte, die 
wieder von Michelangelo ablenkt. Man möchte daher in den Ausweg ei11- 
lenken, die Madonna von Brügge als eine Gefellenarbeit, in Nfichelangelos 
ßbottegaa nach feinen Skizzen aber nicht auisifclfliefslich von feiner Hand 
gefchaffen, zu betrachten. Dafür fcheint auch der jüngft aufgefundene, im 
Kenflngtonmufeum bewahrte Marmorkopf zu fprechen, von welchem an- 
genommen wurde, er zeige den Typus der Madonna von Brügge und fei 
von Michelangelo eigenhändig gearbeitet worden, um den Gefellen bei dem 
Werke als Mufter und Anhaltspunkt zu dienenßii") Die technifche- Aus- 
führung regt aber diefelben Zweifel an, wie die grofse Gruppe in Brügge, 
und zum Ueberflufs wird auch die Erinnerung an den Ausfpruch Baccio 
Bandinellfs lebendig, dafs Michelangelo keine Gehilfen in feiner Werk- 
fiatte geduldet habe. 3:23) Freilich kennen wir Bandinelli als eine-häfs- 
liche, wenig Vertrauen einflöfsende Perfon, und die Motive, welche er 
Michelangelo unterfchiebt, diefer hätte keine Nebenbuhler heranziehen 
wollen, find gewifs falfch; aber für die frühere Zeit des Meifters dürfte 
die Behauptung zutreffen. So bleibt alfo die Herkunft der Madonna 
von Brügge noch immer theilweife verfchleiert. 
Wenn Michelangelo als" Greis fein Erfilingswerk, den Centaurexxkanxpf, 
betrachtete, pflegte er zu feufzen, dafs es ihm nicht vergönnt gewefen, 
S) Gotti 11, 51. 
 Fine arts quarterly Review. 
266. 
Bottari, 
Lettere 
pittoriche.
	        
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