ANMERKUNGEN
UND
BELEGE.
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Heereszuge. In der letzten Sitzung des Concils (17. März 1517) wurde
der Befchlufs eines Kreuzzuges angenommen; am 13. März 1518 pro-
clamirte Leo X. denfelben und mit demfelben zugleich einen fünfzig-
jährigen Frieden zwifchen den chriftlichen Mächten. Er fandte Kaifer
Max Helm und Schwert, welche ihm auf dem Augsburger Reichstage
(I. Augufl) überreicht wurden. Die Fresken aber in der Stanza dell'
incendio waren fämmtlich in der erften Hälfte des Iahres 1517 vollendet.
In dem Gemälde: Krönung Karl des Grofsen und Reinigungseid
Leo Ill. wird die wunbedingte Ueberordnung der Kirche über die welt-
liche Gewalte und zwar wieder in unmittelbarem Zufammeilhange mit
den Concilverhandlungen dargeftellt. Sie fmd mnythifche Spiegelungen
der nächflen Gegenwarm Die Aufhebung der pragmatifchen Sanction,
der Abfchlufs des Concordats, die Erneuerung der Bulle: Unam sanctam
vom Jahre 1302 bilden den Ausgangspunkt der Raffaelifchen Com-
pofitionen. Das Concordat, welches nebenbei gefagt die franzöfifche
Kirche der franzöfifchen Krone preisgab, die Gewalt über die eritere
zwifchen Papit und König theilte, wurde ebenfo wie die Bulle in der
eilften Sitzung des Concils (19. December 1516) proclamirt. Wieder
alfo verftrich zwifchen den Ereigniffen, welche zu den Fresken den Impuls
gaben und dem Entwurfe und der Ausführung der letzteren ein Zeitraum
von knapp fechs Monaten. Zur Begründung der Hypothefe wird auf
die Schrift Sadolefs: Interpretatio in locum evangelicum de duobus gladiis
verwiefen. xÜm diefelbe Zeit, als Raffael diefe Fresken malte, fchrieb
Sadolet im Auftrage des Papiles fein Sendfchreiben an Franz I. wüber
die biblifche Lehre von den zwei Schwerterna In diefer Behauptung
{leckt ein dreifacher Irrthum. Das Sendfchreiben wurde auf den Wunfch
des Königs verfafst, beinahe ein Jahrzehnt nach RaffaeTs Tode, und
enthält das Gegentheil von den hierarchifchen Anfchauungen der Bulle:
Unam sanctam. Dafs endlich im Conftantinfaale die kirchenpolitifche
Tendenz nicht ausfchliefslich waltete, beweift, dafs die urfprünglichen
Entwürfe fich einfach an die Legende von K. Confiantin hielten, erft nach-
träglich die Taufe Conftantins und die Schenkung Roms an ihre
Stelle traten.
Am nächften würde es liegen, die Feftrede, mit welcher das Concil
eröffnet wurde, auf ihre Grundgedanken zu prüfen, ob fie nicht die
Stimmungen wiedergiebt, welche in den Stanzen anklingen, zumal diefelbe
von Sadolet in einem Briefe an Bembo als höchit bedeutend gepriefen
wird. Der Redner, der General des Attguftinerordens P. Aegidius von
Viterbo, fchildert die Gefahren, welchen die Kirche fo oft ausgefetzt ge-
wefen, und dafs fie bisher immer gerettet worden, er malt die herrfchenden
Zuftände in den fchwärzeflen Farben und gründet darauf die Nothwendigkeit
eines Concils. Am Schluffe der Rede richtet er noch eine eindringliche