RAFFAEL
UNI)
MICHELANGELO.
Verbindung gebracht. l)iefe Verhandlungen waren Gegenlland der achten
Sitzung und fchlofsen mit einem Decrete, welches die Unfterblichkeit der
Seele zum Dogma erhebt, die Prieftererziehtnrg regelt, die huffitifchen
Ketzereien verdammt, ohne aber bellinnnte Lehren befonders zu betonen.
Vom Altarfacramente ift weder in diefen Verhandlungen noch fonft auf
dem Concil die Rede. l)ie achte Sitzung fand am 18. September 1513
flatt, die Meffe von Bolfena war aber noch vor dem Tode Iulius" 11.,
vor dem 2o. Februar 1513 vollendet, jedenfalls alfo 1512 entworfen.
Raffael hat {ich übrigens gar nicht an das Mirakel von Bolfena, fondern
an die älteren Faffungen der Legenden gehalten, welche von der Verwand-
lung der Hoftie in Fleifch und Blut erzählen und im ganzen Mittelalter
volksthümlich waren, auch durch die Kunft wiederholt dargeßellt wurden.
Die ganze neunte distinctio im dialogus miractilorunr des Czesaritis von
Heiflerbach: de facramento corporis et sanguinis Chrifti iPt der Schilde-
rung von dem Blute, welches fich meffelefenden Prieflern an der Hoftie
im Kelche gezeigt, gewidmet. Die Fresken der zweiten Stanze fiehen
daher mit dem lateranifchen Concil weder fachlich noch zeitlich in un-
mittelbarem Zufammenhange. Nicht beffer ift es mit demfelben in Bezug
auf die dritte Stanze, die fog. Stanza dell" incendio beftellt. Ich habe
dafür den Namen Leozimmer vorgefchlagen, weil fich in demfelben in-
direct ein perfönlich höfifcher Cultus des Papües offenbart. Mit Rückficht
auf den gleichen Namen wurden Thaten Leo 111. und Leo IV. verherr-
licht. Diefe Auffaffung entfpricht den Kunfifitten, welche unter Leo X.
herrfchten. S0 enthalten auch die Bordüren an den Teppichen, welche
Raffael zeichnete, Darftellungen aus feinem Leben. Alfo auch hier ragt
ein perfönlich-höfifches Element in die künßlerifche Schilderung hinein.
Der Burgbrand foll den Ausgangspunkt gleichfalls in der achten Sitzung
des Concils (18.1)ecember 1513) befitzen, in welcher die Ausfchreitungen
der Materialiften verdammt werden. Jedenfalls mufs man zugeben, dafs,
wenn die Freske aus wdem dogmatifchen Begriff der in der Kirche
liegenden Heiligkeita hervorgegangen ift, Raffael Alles gethan hat, um
den Begriff abzufchwächen. Der Papil ift gänzlich in den Hintergrund
gefchoben, dafs er das Wunder vollzieht, ift in keiner Weife angedeutet.
Die Schlacht bei Oftia hat Raffael 1515 entworfen. 1n diefem ]ahre
befand fich Dürer bereits im Befitze des berühmten Modellactes. Die
Türkengefahr wurde allerdings im Laufe des Concils wiederholt befprochen,
der Kreuzzug gegen die Ungläubigen angeregt, doch nicht ernftlicher, als
diefes feit Pius 11. gefchehen war. Von der Mitte des 15. Jahrhunderts
an gehört die Aufforderung zum Kreuzzüge gleichfam zum Curialftil.
Ernller wurde der Kreuzzugsgedanke erfl erfafst, als Selirn 11. {ich 1517
der irordafrikanifchen Kulte bemächtigte und die Städte Italiens unmittelbar
bedrohte. Kaifer Maximilian mahnte (28. Februar 1517) den Papft zum