ANMERKUNGEN-
UNI )
BELEGE.
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verwerfen, dafs in der Schule von Athen eine Art von Ueberficht der Ent-
wickelung der griechifchen Philofophie dargeflellt fei, fo wird diefelbe
vollends durch die Erkenntnifs widerlegt, dafs Figuren, welche nach
diefer Hypothefe zu den wichtigften hiflorifchen Figuren gehören, erit
zuletzt der Compofition angefügt wurden. Das gilt merkwürdiger Weife
nicht blofs von der Schule von Athen; auch am Parnafs und namentlich
an der Disputa bemerken wir den gleichen Vorgang. Einzelne der her-
vorragendilen Figuren, wahre Markfleine der Compofition und Gliederung,
welchen wir gern eine befondere inhaltvolle Deutung beilegen, find erit
ganz fpät den Bildern einverleibt worden. Offenbar hat Raffael erft, als
er die Cartons fchuf und diefelben auf die Wand übertrug, den vollen
Ueberblick über die Wirkung der Compofition gewonnen und darauf hin
noch wefentliche Aenderungen vorgenommen. Auch die in unferen Tagen
wieder aufgetauchte chriftliche Umdeutung der Schule von Athen findet
in einer einfachen Thatfache ihre Widerlegung. Papfl Paul III. (1534
bis 155ol liefs bei einer Umfetzung des Kamins das von Giovanni da
Verona meiflerhaft eingelegte Holzgetäfel abbrechen und an deffen Stelle
von Perino del Vaga zu der Zeit, als Michelangelo das jüngüe Gericht
aufdeckte, die Felder mit bronzefarbigen Bildern füllen. (Vafari V. 622).
Unter der Schule von Athen war die allegorifche Figur der Philofophie
dargeftellt, eine verhüllte Frau, den Fufs auf einen Globus fetzend, mit
Büchern zur Seite, fodann Männer, welche im Halbkreife um einen Globus
fitzen und ihn deuten, ferner die Belagerung und Plünderung von Syrakus
und die 'I'ödtung des Archimedes, der mit dem Zirkel Figuren auf den
Boden zeichnet, durch einen Soldaten. Die Beziehung der Sockelbilder
auf das Wandbild ill unverkennbar. Es war daher, ehe Vafari fchrieb,
und ehe Giorgio Mantuano in feinem Stiche die Schule von Athen auf
die Predigt Pauli in Athen bezog, in römifchen Kreifen die profane
Deutung eingebürgert.
) Die Berechtigung, die Halle als einen tempelartigen Raum darzuftellen,
entnahm Raffael dem Gebete, welches beim Beginn platonifcher Lectionen
verrichtet wurde! zzsjzirzz 110: jbrernr alme Dezzs, narmrbzß zzolnm 22mm fra-
frillus Ina's, in rzzczlio ßzclesiw uarrzzbzz te. Marfilius Fic. "epp. l. VIII. p. 866.
) Marfilius Ficin us Comment. in Timaeum p. 1491: Saj:z'e1ztz' [ex Dem
(Sf, irzswiwlti libizio, p. 149. Superbi rim! De! legzmz relizjzzerznz! im dr-
sßruntur a Duo. Dßserli autem [wurmt atrocizzs e! mzisßnzbilizzs vrurzkzzztzzzg-
ferner p. 140 3: Petendre religiozzzlv leges ab Ajßolline i. e. rliwino Zuminc;
zkzslzlfire zum tezlzjzerazztzkz legitimer esi cozzseusio; [Mr Zzßizlizzezzz nzpilnr rzzzima
m! zßollrjßtaterlz per iramzzdinzzz jzrozßozatrzr m! pugnazzz. Wahrfcheinlich hat
Raffael fich nicht mit der Verfinnlichung diefer Lehren begnügt, fondern
zugleich apollinifche, bis jetzt noch nicht fafsbare Mythen (Angriff des
Tityos auf Leto?) wiedergegeben.
Springer, Ralfael und Michelangelo. I. '22