MICHELANGELOS
JUGEND.
Griechen erzählten die anmuthige Sage von dem Knaben Ampelos, dem
Lieblinge des Dionyfos, nach deffen gewaltfamem Tode Zeus, um den
Schmerz des Dionyfos zu lindern, einen Weinftock aus dem Leibe des
Verftorbenen emporfpriefsen läfst. Die-antike Kunft bemächtigte fich
diefes Wythus und verlieh ihm neues Leben. Eine Marmorgrtippe im
britifchen Mufeum z. B. fchildert Dionyfos mit dem Becher in der er-
hobenen Rechten, mit der Linken Ampelos. Limarniend, welcher, bereits
halb in den knorrigen Weinftock verwandelt und nur noch mit dem
Oberkörper aus dem Stamme herausragend, dem Gotte eine Traube
anbietet. Ob Michelangelo ein ähnliches Bildwerk vor Augen hatte oder
0b er, wie Mariette m) meint, das urfprüngliche Motiv eines auffpringenden
Panthers in einen feinen Studien naheliegenden Satyrknaben, "welcher
nach der Traube greift, verwandelt hat? Wie feft in feiner Phantafie die
Gruppe des Bacchus mit einem Knaben wurzelte, beweiPc feine Reftauration
eines antiken Torfo. Er erweiterte denfelben zu einer förmlichen Gruppe,
ergänzte nicht blofs den Körper des Bacchus von den Knieen an abwärts,
fondern fügte noch beide Arme und Kopf, fo wie den Knaben mit dem
Baumftamm und den Masken hinzu. Dafs die Ergänzung von Michel-
angelo herrühre und in feine ]ugendzeit falle, darüber kann kein Zweifel
herrfchen, ebenfo wenig wie über den Zufammenhang der reftatlrirten
Statue mit dem für Gallo gefchaffenen Bacchus. Die florentiner Gruppe
im Gegenflnne gezeichnet (Fig. 7) giebt die Bewegung des Bacchus
genau wieder, dürfte alfo als eine Vorarbeit für diefen aufzufaffen fein: nur
liefs er hier feiner Natur freieren Lauf. Untrügliche Merkmale weifen
in" der Bacchusftatue Michelangelds Hand. Einen folchen Lebensüberflufs,
wie ihn der prächtige Torfo des Gottes zeigt, konnte nur Michelangelo
dem Marmor einhauchen. Auch an äufseren Zeugniffen der Aechtheit
fehlt es nicht. Schon Raffael Volaterranus, deffen Commentarii urbani
im Anfange des fechzehnten Jahrhunderts gefchrieben wurden, rühmt
neben der Pietä das voperosum Bacchi signum in atrio domus Iacobi
Galli, civis romania.
Nicht die gleiche vollkommene Sicherheit herrfcht in Bezug auf den
Gegenftand und das Schickfal der anderen für Galli gemeifselten Statue.
Unfere Quellen ftehen nicht im Einklange. Condivi erwähnt einen
Cupido, Uliffe Aldrovandi fpricht von einem Apollo, vganz nackt
mit Köcher und Pfeilen an der Seite, ein Gefäfs zu feinen Füfsenß Beide
Schriftfteller fc-hrieben zu gleicher Zeit, beide fahen die Statue wie den
5') Observations
gabe Condivfs.
in
God's
AusÄ
H. Dütfchke, Antike Kunft-
werke in Oberitalien, III, N0. 2 31.