Volltext: Bis zum Tode Julius II. (Bd. 1)

ANMERKUNGEN 
UND 
BELEGE. 
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Carton übertragen zu werden. Wichtiger als die äufseren Differenzen 
zwifchen Skizze und Freske erfcheint die ftiliftifche Verfchiedenheit. Die 
florentiner Skizze bekundet unflreitig eine freiere Hand, einen frifcheren 
Sinn für Ausdruck und Bewegung, als das ausgeführte Gemälde, welches 
fich übrigens gleichfalls vor allen anderen Fresken durch gröfsere Lebendig- 
keit und freiere Haltung auszeichnet. Das waren die Gründe, welche 
auf Ratfaefs Urheberfchaft fchliefsen liefsen, ebenfo bei den drei anderen 
ähnlich behandelten Skizzen: für die Dichterkrönung Aenea Sy1vio's in 
der Brera (Br. 5), für die Erhebung des Aeneas Sylvius zum Legaten 
in Chatsworth (wie die übrigen Raffaelblätter in der Sammlung des Her- 
zogs von Devonshire photographirt), und für die Verlobung Kaifer 
Friedrichs im Privatbefitz in Perugia. Die Brerazeichnung ift in Bezug 
auf ihre Originalität mit Recht bezweifelt worden, das florentiner und 
das chatsworther Blatt, wenn auch technifch nicht gleich behandelt, ünd 
doch gewifs von derfelben Hand. Aus dem Umftande, dafs die Zeich- 
nungen von den Fresken in dem landfchaftlichen Hintergrunde, in den 
Trachten abweichen, darf man noch nicht auf eine andere Hand fchliefsen. 
Ein folches Verhältnifs wiederholt {ich öfter zwifchen Carton und aus- 
geführtem Gemälde. Nur rein ftiliftifche Merkmale können auf Raffael 
fchliefsen laffen. Sie find keineswegs fchlagender Natur. Die gröfste 
Uebereinitimmtmg hat man mit den Formen und Geftalten im Vene- 
zianifchen Skizzenbuche gefunden. Diefes flammt aber nicht von Raffaels 
Hand. Auch erfcheint es nicht recht glaubwürdig, dafs Pinturicchio, welcher 
doch von Rom her in derartigen hiftorifchen Compofitionen zu Haufe war, 
gleich im Beginne der Arbeit zu Raffael feine Zuflucht genommen hatte. 
Immerhin bleibt eine nähere Beziehung zwifchen Raffael und Pinturicchio 
beftehen und auch ein kurzer Aufenthalt RaiTaeTs in Siena, während 
Pinturicchio hier thätig war, erfcheint wahrfcheinlich. Mehrere Zeichnungen 
Raffaels (Oxford, Uffizi, Br. 505) find offenbar unter dem unmittelbaren 
Einfiufse der Bilder in der Libreria entftanden. Aufserdem befinden fich 
noch in mehreren Sammlungen Studien zu einzelnen Figuren (Uffizi, Oxford), 
welche gleichfalls auf ein Zufammenwirken mit Pinturicchio, während diefer 
für die Libreria thätig war, fchliefsen laffen. 
Der Zeit nach noch vor die Freske in S. Severo wäre das grofse 
Wandbild in S. Onofrio (jetzt Mufeo Egiziaco) in Florenz, das Abend- 
mahl darftellend, zu fetzen, wenn es Raffaelifchen Urfprungs wäre. Das 
Abendmahl, im Jahre 1845 von der Tünche befreit, welche es vielleicht 
ein Jahrhundert bedeckt hatte, wurde Anfangs mit Begeifterung als ein 
echtes Raffaelifches Werk begrüfst, gab dann zu langen Erörterungen 
über den muthmafslichen Meifter Anlafs und hat, Dank der befangenen 
Reftauration, gegenwärtig viel von feiner früheren Bedeutung verloren. 
Die Apoftel fitzen mit Chriftus an drei Seiten eines Tifches, je zwei
	        
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