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RAFFAEL
UND
MICHELANGELO.
angelo 16 Jahre alt. Arbeitete er fodann gleich felbftändig oder trat er
noch mit einem anderen Meifter in Verbindung? Wir fmd geneigt, das
Erftere anzunehmen, da fich von einem weiteren Lehrer keine Nachricht
erhalten hat. Der autodidaktifche Zug in feiner Bildung erklärt manches
Räthfel in feiner Iugendentwickeltmg, macht namentlich den ftarken Ein-
flufs der Antike auf feine erften Arbeiten begreiflich. In Ermangelung
eines Lehrers, der ihn in den Lokalflil hinübergezogen hätte, hielt er
fich an antike Mutter, welchen er aber als Anfänger nur beftimmte, vor-
wiegend technifche Eigenheiten ablaufchte.
4) Diefe colorirte Copie des Kupferftiches wird in gar manchen Privat-
fammlungen früher noch häufiger gewiefen. Neuerdings wird
behauptet, Mr. de 'l'riqueti habe das Exemplar Michelangelds in Pifa
erworben. Dasfelbe war 1874 in der Expofition zu Gunflen der Elfäfser
in Paris ausgeftellt gewefen. Ein 1881 auf den italienifchen Kunflmarkt
geworfenes Tafelbild (aus Bologna ftammend) erwies fich fchon durch
die Anwendung von Oelfarben als eine Fälfchung. Michelangelo hat
niemals in Oel gemalt.
5) Ueber die Arca di San Domenico und Michelangelds Sculpttiren giebt
die beste Auskunft: P. Tommafo Bonora: L'arcra di S. Do-
menico e Michelangelo Buonarroti. Ricerche istorico-critiche, Bologna
1875. Dafelbft ift p. 17. die ältefle Nachricht über Michelangelols
Antheil an dem plaftifchen Schmucke abgedruckt, die Notiz, welche
Lodovico da Pralormo 1527 in fein Gedenkbuch einfchrieb: "Sriezzzluzn
tanzen es! quozl lmago Saudi Pelranii quasi Zotta e! iotia Inzaga Sancfi
Prorulz", e! totta [mzzga illius Angelz" qui gmua fleciil et e posto sopra
2'! parapeto alle fece Afßlzonso srultore, gual 22 verso le fenestre, guesle
tre [zmzgine lza fatto quiriam fuvenis ßarenlinzzs namine jlficlzelangelus
immediale post mortenz dicti Magisiri Mcolai." Die Unwahrfcheinlich-
keit, dafs der Engel an der Evangelienfeite von Michelangelo flamme,
wie eine Zeitlang (feit Cicognara?) angenommen wurde, hat bereits
Gualandi (Memorie originali, serie V. p. 32) hervorgehoben. Das
unmittelbare Vorbild für den h. Petronius war die Statuette aufsen am
Mittelportale von Iacopo delle Guercia, deffen Arbeiten überhaupt nicht
ohne Einflufs auf Michelangelo blieben. Vgl. die treffliche Abhandlung
F. Wickho f f 's über die Antike im Bildungsgange Michelangelds in den
Mittheilungen des Instituts für öfterreichifche Gefchichtsforfchung II. Bd.
Innspruck 1882.
6) In die Zeit unmittelbar nach der Rückkehr aus Bologna mufs der Gio-
vannino fallen, welchen Condivi cap. XVIII. kurz erwähnt; xa lorenzo
di Piero-francesco de' Medici Michelangelo aveva fatto un San Giovanninaa
Die Statue, lebensgrofs aus carrarischem Marmor, galt für verschollen, bis
fie 1874 in Pifa im Palafle des Grafen Gualandi-Roffelmini auftauchte,