MICHELANGELOS
JUGEND.
Schon die Zeitgenoffen bemerkten, Michelangelo fei bei der Schöpfung
der Pietä von den Spuren der mittelalterlichen Tradition abgewichen.
Das Urtheil fpricht die Wahrheit
aus, darf aber nicht als Tadel ge-
nommen werden. Denn was Michel-
a. b? angelo dafür bot, überragt weit-
1.223317; 3;" " hin alle früheren Leifhingen. Es
weht eine antike Stimmung aus
i?" dem Werke. Die klaffifche Kunft
. lenkte damals aber nicht allein
l VMichelangelds Formenfinn, fie gab
l i ihni auch floffliche Anregungen.
ilc-vi" w: R Für Iacopo Galli arbeitete er
(K (l während feines römifchen Aufent-
"f; f lialtes, vielleicht noch vor der
113g Pieta, zwei Marrnorftatuen: einen
j Bacchus und einen Apollo.
f f f. Den B acch us begrüfsen wir
Ä in der Florentiner Galerie, wohin
I! d: er 1572 durch Ankauf von den
l Erben Jacopds gelangte. Des
;__"Ti:fij1llli k g-zl R füfsen Weines voll, in den Beinen
ix v, ß nicht gaigz ficher, mit dem vollen
Allg [litt Becher iebäugelnd, den er in
i: der Rechten emporhält, das Haupt
mit Weinlaub bekränztx fteht
.4 wläacchus vor, uns, das läild des
I], Jugendlichen Lechers. Die fchlaff
i! j herabhangende Linke halt eine
ililqiil Traube, von welcher ein kleiner
33 w, w bockfüfsiger Satyr nafcht. Ein
ÜÄQ Qsßjlllu prall Baumftamm dient dem letzteren
x u 1 zur Stütze und hilft gleichzeitig
. W die ganze Statue im Gleichgewicht
Fig. 6_ Bacchus, Marmorßatuft halten. Woher entlehnte Michel-
Florenz, Nationalmufeum. angelo das Motiv? Der Gegen"
Pcand der iDarftellung war bis
dahin in der Renaiffancekunft nicht heiinifch gewefen, er liegt auch der
Natur Michelangelds, mag derfelbe immerhin erft im fpäteren Alter das
Gepräge des herbften Ernfles empfangen haben, ziemlich fern. Der