Volltext: Bis zum Tode Julius II. (Bd. 1)

286 VII. DIE STANZA UELIODORO. 
austönend erfcheinen. Endlich aber hätte durch den Ausfall der Engels- 
{igur die Farbenharmonie eine fchwere Schädigung erfahren. Wie in 
der oberen Hälfte des Gemäldes die Maffe des hellen Scheines durch 
das blaüeTGewand der Madonna wirkfam gebrochen wird, fo mufs unten 
zwifchheii dem dominirenden Roth in der Gruppe rechts und den grau- 
braunen Tönen, welche auf der entgegengefetzten Seite herrfchen, eine 
Vermittlung getroffen werden. Sie wird durch die warme Carnation 
des Engels erreicht und auf diefe Weife die reichfte Gefammtwirkung 
erzielt. In packender Gewalt, voll lebendiger Porträtwahrheit und in 
der tiefen Kraft und dem feinen Schmelz der Farbentöne überragt die 
Madonna di Foligno weitaus alle früheren Tafelbilder Raffaefs. Wie 
kalt und erkünPcelt und desiunmittelbaren Lebens baar erfcheint dagegen 
die Grablegung, welchen Fortfchritt weift namentlich die Farbengebung 
feitdem auf. 
Den malerifchen Standpunkt hält Raffael auch in dem anderen 
nahezu gleichzeitigen Gnadenbilde, in der M ado nna mit d em F if c h  
fe{t. Sie war beftimmt, den Dank für eine glückliche Augenheilung 
auszufprechen  fo wird wenigPrens die Gegenwart des jungen Tobias 
Amit dem Fifche auf dem Bilde ausgelegt  und wanderte aus dem 
Beütze der Dominicanerkirche in Neapel in jenen eines fpanifchen Vice- 
königs, dann (1644) nach Madrid. Die Anordnung des Gemäldes 
fchliefst {ich noch enger dem Herkommen an als in der Madonna di 
Foligno. Die Madonna {itzt auf dem Throne, nur um wenige Stufen 
über den heiligen Hieronymus und den Erzengel Raphael mit dem jungen 
Tobias erhöht, die {ich zu beiden Seiten des Thrones aufgeftellt haben. 
Das Chriftkind, halb aufgerichtet, von der Madonna geftützt, hat die 
Linke auf die Blätter des Buches fallen laffen, welches Hieronymus 
aufgefchlagen hält und {treckt die Rechte fegnend dem jungen Tobias 
entgegen. Nur zaghaft und fchüchtern, unwillkürlich in die Kniee 
finkend, nähert {ich iderfelbe dem Chriftkind. Sein Führer, der Engel 
Raphael, mufs ihn umfaffen und an der Hand leiten, um ihm Muth zu 
geben. Der Engel begnügt {ich nicht mit der mechanifchen Führung. 
Er hat fein Antlitz zum ChriPtkind erhoben und fleht, voll Zärtlichkeit 
für feinen Schützling, voll frommer Zuverfxcht zu dem Gottesfohne, 
diefen um Gnade an. Mit Recht wurde die wunderbare Innigkeit des 
Ausdruckes in diefer Gruppe als unerreichbar für jeden anderen Maler, 
ja felbPc von Raffael niemals wieder erreicht, gepriefen, aufserdem aber 
3') Stich von Desnoyers. 
in Röthel in Florenz. Br. 
Modellact 
4 8 5  
35') Reumont 
Zeitung. 1 8 5 6. 
in der Augsb. 
N0. 92. 
Allg
	        
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