BEZIEHUNGEN
ZU
SEBASTIANO
DEL
PIOMBO.
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um ihn hier in feiner Villa, der fpäteren Farnefina, zu befchäftigen. In
diefe Zeit fallt auch Raffaefs merkwürdig nahes Verhältnifs zu Sebafiiano,
das nächfte, welches jener während feines römifchen Aufenthaltes über-
haupt einging. Den Glauben daran raubt uns nicht die feindfelige Ge-
fxnnung, welche Sebafiiano bereits nach wenigen Jahren gegen Raffael
zur Schau trug, Giftigen Hafs, und der Hafs eines Künftlers birgt noch
ein befonderes Gift in. fich, hämifchen Tadel, böswillige Verläumdung
fchleudert er gegen den letzteren und wird nicht einmal 'durch den Tod
Raffaefs verföhnt. Aber gerade die Heftigkeit des Grimmes führt zu
dem Schluffe, dafs nicht etwa anfängliche Gleichgiltigkeit und Kälte all-
mählich in Abneigung überging, fondern eine gewaltfame Entfremdung
eintrat, eine urfprüngliche Freundfchaft in die fchrofffte Feindfchaft um-
fchlug. Welche Umfiände diefen Wechfel herbeigeführt haben, wiffen
wir nicht; fefl fteht nur die künftlerifche Wechfelwirkung, welche zwifchen
ihnen in den erften Jahren Sebaftiands in Rom Pcattfand. Sßbälfiiands
um diefe Zeit gemalte Bilder gingen die längite Zeit auf Raffaefs Namen,
wie z. B. die fogenannte Fornarina oder Beatrice in der Tribuna und,
wenn der Violinfpieler im Palazzo Sciarra wirklich Raffael angehört und
nicht Sebaftiano, welche letztere Meinung durch das Datum 1518 wahr-
fcheinlicher gemacht wird, fo hat der Venezianer an Raffael einen über-
aus verftändigen Anhänger gefunden. S0 eng wie der _Violinfpieler
fchliefst {ich kein anderes Werk Raffaefs an die Weife Sebaftiands an;
doch offenbaren auch die Fresken in der zweiten Stanze und die gleich-
zeitigen Tafelbilder den Einflufs des venezianifchen Meifters. Nur darf
man nicht an eine äufserliche Nachahmung, eine mechanifche Nachfolge
denken, fondern mufs die durchfichtig klare, harmonlifche Natur RaffaeYs
vor Augen behalten. Er eignete fich nur Wahlverwandtes an und prägte
in feiner Phantafie jede fremde Form {einer Art entfprechend um.
Die befte Probe dafür liefern die beiden Madonnenbilder, welche
Raffael in den letzten Jahren julius" II. fchui und in welchen er dem
malerifchen Stile zum erften Male ganz frei und vollkommen huldigt.
Sie bleiben trotzdem das innerfte Eigenthum des Künftlers, offenbaren
keinen einzigen Zug, welcher etwa als nichtraffaelifch bezeichnet werden
könnte. Die Madonna di Foligno in der vaticanifchen Galerie und die
Madonna mit dem Fifche in Madrid find die beiden Werke der Tafel-
malerei, welche diefen Wendepunkt in Raffaels Kunft am deutlichften
zeigen.