282
VII. DIE STANZA DELIODORO.
Geftalten Staunen und die Kunftdes Colorits, durch welche die Figuren
bald im Dunkel {ich zu verlieiien fcheinen, bald kräftig und rund vom
Hintergründe flch abheben, Bewunderung. Kein Zweifel, dafs Vafari bei
diefer Beurtheilung die Thätigkeit Raffaefs in den letzten Jahren julius" 11.,
feine Fresken in der Stanza d'Eli0doro vorzugsweife vor Augen hatte.
Auf diefe Zeit und auf diefe Werke pafst das Bild, welches Vafari von
Raffael zeichnet, fo vollkommen, als wäre es im Angefichte der
letzteren entworfen worden.
Vafari vegint mit vollem Rechte denEinflufs Michelangelds auf den
Sieg des wmalerifchen Stilesr bei Raffael; ob andere Einwirkungen vor-
handen waren, fagt er nicht, konnte er nicht fagen, da nichts fo rafch
vergeffen und verklungen war, als die wahren römifchen Kunftzuftände
der Jahre I508_I515. Vafari fchrieb unter dem Eindrücke, dafs in
Rom Michelangelds und Raffaels Schule ausfchliefslich herrfchte, alles
künftlerifche Leben dafelbft in dem eiferfüchtigen Kampfe derfelben {ich
aufzehre. S0 war es in den letzten fünf Lebensjahren Raffaefs und noch
lange nachher. Bunter und mannigfaltiger dagegen wogte hier das
künftlerifche Treiben, als noch Iulius II. auf dem Throne fafs und Raffael
erft im Auffteigen begriffen war. Aus dem Vatican mufsten die Maler,
die vor Raffael und vielleicht anfangs neben ihm hier gemalt hatten,
{ich zurückziehen. Rom wurde aber deshalb noch nicht leer an felb-
ftändigen Künftlern. Während Raffael in der erften Stanze malte, ar-
beiteten drei hervorragende Männer in der Villa des reichen Bankherrn
Agoftino Chigi, welche fpäter den Namen Farnefina empfing: Baldaffare
Peruzzi, Bazzi oder Sodoma und Sebaftiano Veneziano, nachmals von feinem
Amte Sebaftiano del Piombo genannt. Peruzzi und Sodoma zählen beide
zur Sienefer Schule; doch haben fie, insbefondere der letztere, lombardifche
Einiiüffe auf {ich wirken laffen, wodurch ihre technifchen Mittel erweitert
wurden, ihr Colorit an Schmelz und Wärme, überhaupt ihre Geftalten an
Liebreiz gewannen. Die Fresken diefer beiden Maler in der Farnefina kannte
Raffaelfals er an die Malerei in der zweiten Stanze fchritt, und es mag
diefe Kenntnifs nicht wenig zur Aenderung feines Stiles beigetragen haben.
Noch engere Beziehungen walteten zwifchen Raffael und dem dritten
Maler in der Farnefina, dem Sebaftiano del Piombo. Er war mit
Raffael ungefahrvin gleichem Alter und hatte in Venedig mit Giorgione
zufammen gearbeitet. Von Venedig holte ihn der reiche Kaufherr und
glänzende Kunflfreund Agoftino Chigi I 511 und brachte ihn nach Romik),
1') Vgl. die Vita Agoßini Chigi, von
Fabio Chigi 1618-1630 gefchrieben,
im Archivio
{ioria patria.
della focietä
II. 61, 68.,
Romana
di