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VII.
DIE
STANZA
ITELIODORO.
von aufsen aufgezwungen; immerhin mochten ihn aber auch künillerifche
Rückfichten mitgeleitet haben. Der Gegenftand der Schilderung: vor
den Augen des zweifelnden Priefters treten Blutstropfen aus der Hoftie
hervor und beweifen ihm die Gegenwart des Leibes Chrifti in der Hoftie,
liefs {ich mit den Mitteln der Kunfi: gar nicht wiedergeben. Das Wundern
und Staunen kann gemalt werden, nicht das Wunder; denn die Ver-
fchiebung der Naturgefetze kann nicht natürlich dargeflellt werden. So
wird auch hier nicht das Xyunder von Bolfena, fondern nur die Meffe
von Bolfena uns vorgeführt, in Wahrheit ein blofses Ceremonienbild,
welches der Künftler nach Kräften mit lebendigen Zügen auszuftatten
fich bemühte. Dazu paffte aber ganz vorzüglich die ftattliche Papftfigrxr
und das reiche päpftliche Gefolge, welche daher auch {tärker in den
Vordergrund gezogen werden, als es in der urfprünglichen Abflcht lag.
Auch verlangte der Rriefter, der nicht die Mitte des Bildes einnimmt,
ein Gegengewicht. Sieht man auf die Maffenvertheilung hin den Ent-
wurf an, fo entdeckt man auf den erften Blick, dafs die linke Seite fafl:
leer gegen die rechte erfcheint. Hier drängt flch hinter dem Priefter
die Gruppe der erftaunten, lebhaft bewegten Kirchengänger zufammen;
dort füllen der Papft und feine vier Begleiter mühfam den Raum aus,
dem Altar zunächPc find aber nur drei knieende Kerzenträger, alfo lauter
untergeordnete Perfonen angebracht. Gerade die glückliche Maffen-
vertheilung, das Gleichgewicht der Gruppen gehört zu den gröfsten
Reizen des ausgeführten Gemäldes, fo dafs man wohl in der Annahme
nicht irre geht, der urfprüngliche Entwurf fei mit Rückficht auf die
beffere Raumgliederung abgeändert worden.
Links am Altartifche verrichtet der Priefter im reichen Ornate das
Mefeopfer. Man fleht ihm, wie fchon Vafari hervorhob, die Furcht und
den "Schrecken über das Wunder an, das fich vor feinen Augen vollzieht
und feinen Unglauben Lügen ftraft. Die Bewegung pflanzt {ich nur auf
der Seite des PriePcers bis zur entferntefien Ecke fort, treibt Wellen-
kreife, die aber merkwürdiger Weife in der Nähe des Altars weniger
mächtig wogen, als in der weiteren Ferne. Hier fcheint die menfch-
liche Empfindung von dem Banne des Heiligthums frei zu werden und
flch offener und rückhaltlofer zu äufsern. Nur einen leichten Eindruck
macht das Wunder auf den glaubensftarken Mefsdieneri und die drei
Kerzenträger in der unmittelbaren Nachbarfchaft des Priefizers. Kräftiger
wirkt es fchon auf die beiden Männer, die fich über die Brüfiung des
Schrankenwerkes vorbeugen und sich gegenfeitig auf den Vorgang auf-
merkfam machen. In heftigen Aufruhr ift dagegen die Gemeinde am
Fufse der Treppe, die zum Altar führt, gerathen. Alt und Jung, Männer