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VII.
DIE
STANZA
UELIODORO.
Originalität erheben, kaum retten; was das Madonnenbild betrifft, fo
haben die zahlreichen Wiederholungen den Glauben, als könnte das feit
achtzig Jahren verfchollene Original noch jemals wiedererkannt werden,
ftark erfchüttert. Florenz beherbergt die beiden Portraitexemplare, welche
fxch am eifrigften. den Rang ftreitig machen. In der Modellirung und in
der energifchen Farbenbehandlung {ind beide Exemplare gleich vortreff-
lich, das Gemälde im Pittipyalafte noch etwas tiefer im Tone als jenes
in der Tribuna. In Einzelheiten weichen {ie von einander ab. Am
Exemplar in der Tribuna erfcheinen die Nebendinge und Theile der
Gewanrdung, wie das weifse Chorhemd, forgfaltiger ausgeführt, dagegen
der. Bart mafüger behandelt, als am Pittiexemplare, wo namentlich der
Bart mit feinerem Pinfel aufgetragen iPc. Die Betonung des Wefentlichen,
die Hüchtige Wiedergabe des Nebenfachlichen macht die Originalität des
Pittiexemplares wahrfcheinlich. Dagegen fpricht freilich ein nur ganz äufser-
licher Umftand zu Gunften des Bildes in der Tribuna. Dasfelbe ift durch
Erbfchaft aus dem Haufe Rovere an die Herzöge von Toscana gekommen,
während über die Herkunft des Pittiexemplares nichts Sicheres bekannt iPr.
Die von Julius II. in die Kirche Sta. Maria del popolo geitiftete
Madonna blieb auf ihrem urfprünglichen Standorte wahrfcheinlich bis 17 l 7,
inävirelchem Jahre üe ein gewiffer Girolamo Lottorio an den Schatz von
Loreto verfchenkte. Seitdem führt das Bild den Namen: Madonna
Loreto.
IlIlS
Weder
eine
Kunde
über
das
Anrecht
des
Lottorio an den Befltz des Gemäldes geworden, noch auch wurde jemals
das Schickfal des letzteren, feitdem es am Schluffe des vorigen jahr-
hunderts aus dem lauretaner Schatze verfchwand, aufgehellt. In Maafsen
und Verhältniffen, im Colorit und in Einzelheiten der Ausführung weichen
die zahlreichen Copien der Madonna di Loretoig) vielfach von einander
ab; unverändert bleibt aber der Kern der Compofrtion, das ihnen allen
gemeinfame Erbe Raffaels, auf welchem wefentlich der W erth aller Nach-
bildungen beruht. Die Madonna hebt den Schleier vom ruhenden Chrift-
kinde, welches, eben" erwacht, der Mutter fröhlich die Arme entgegen-
iftrieckt. jofeph, auf einen Stab geftützt, fteht hinter der Madonna und
blickt theilnehmend auf den Vorgang.
Raffael hat kein neues Motiv hier verkörpert, in dem zärtlichen
Ausdrucke der Madonna, in dem ftrahlenden Geflchte des Chriitkindes,
in der Betonung der Seligkeit, welche das unmittelbare Zufammenleben
gewährt, Horentiner Stimmungen wieder erweckt. Dennoch nimmt man
Das beße
Chriilkind in Lille.
Exemplar
Br. 7 6.
bei
Cav
Laurie
Florenz.
Skizze
für
das