Volltext: Bis zum Tode Julius II. (Bd. 1)

DAS VIERTE WANDGEMÄLDE. 251 
 
{Ophie und die Ailrologie, die Geometrie und die Poefie vereinigen flch 
mit der Theologieq. Ja, es ift Platon, nach humaniftifchem Glaubens- 
bekenntnifs vder göttliche Platom, der xThCOlOgCs Platon, welcher als 
den Gipfel aller Wiffenfchaften, der Grammatik, Arithmetik, Muflk, Geo- 
metrie, Aftrologie, Phyfik und Dialektik die Philofophie aufgeftellt und 
diefe dann mit der Gotteserkenntnifs, der Theologie, vereinigt hat. 
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Die vierte Wand foll das Walten des Rechtes verherrlichen. Die 
Gliederung der Compofition wird hier wie auf der Parnafswand durch 
ein eingebautes Fenfter beftimmt; aber nicht durch diefes allein. Auch 
die Natur des darzuftellenden Gegenftandes wirkt einflufsreich auf die 
Anordnung des Gemäldes. Und fo hat denn Raffael durch die gleiche 
Befchaffenheit der Wandtläche flch keineswegs veranlafst gefühlt, die 
C0mpof1tion des Parnaffes in den Hauptlinien einfach zu wiederholen, 
vielmehr dem neuen Werke eine wefentlich verfchiedene Geftalt verliehen. 
Im Parnafs erblicken wir ein einziges zufammenhängendes Bild, welches 
{ich in dem Halbrund über dem Fenfter bis an die Seite des letzteren 
herabzieht und erft hier feinen Abfchlufs findet. Die gegenüberliegende 
Wand zeigt uns drei felbftändige, von einander fcharf getrennte Dar- 
fiellungen. Ferner, während an allen anderen Wänden der Stanza della 
Segnatura die idealen Typen und hiliorifchen Vertreter der einzelnen 
geifligen Lebenskreife auf das Engfte verknüpft erfcheinen, hat Raffael 
an der vierten Wand die allegqrifche Darftellung yon der hiftorifchen 
gefondert. ilm Halbrund über dem Fenfter fchilderte er die Tugenden, 
Welche dem focialen Leben vorftehen, an den beidlen Fenßerfeiten aber 
die zwei wichtigften Acte der Gefetzgebung, durch welche das Dafein 
der neueren Völker geregelt wurde. Von der Wiedergabe einer be- 
geiiterten, zu thätiger Theilnahme angeregten Gemeinde, entfprechend 
den Gemeinden der Theologen, Dichter und Philofophen, fah er ab. 
Streitende, im Lehren und Lernen begriffene moderne jurifien zu malen, 
konnte ihn nur wenig locken; hätte er fich aber auf die grofsen Gefetz- 
geber der alten Zeiten, auf Mofes, Solon, Lykurg u. f. w. eingefchränkt, 
fO würde er in der Charakteriftik den anderen Wandbildern zu nahe ge- 
kommen fein. Er' entfchlofs {ich daher zu einem Wechfel im Tone der 
Schilderung und rettete dadurch nicht allein feinem Werke Frifche und 
Wahrheit, fondern konnte es wenigftens in den allgemeinen Umriffen 
mit den übrigen Wandgemälden in Uebereinftimmung bringen. Die 
allegorifchen Figuren über den beiden hifiorifchen Scenen wecken einen
	        
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