Volltext: Bis zum Tode Julius II. (Bd. 1)

DIE SCHULE VON 
AT HEN. 
GRUPPEN AUF DER PLATFORM. 
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Aehnlich wie unten im Vordergrunde entfaltet {ich auch oben auf 
der Platform ein reges felbftandiges Leben. Links von der Halle {teht 
Sökirates, an der Maske kenntlich, einer Gruppe von fünf Männern gegen- 
über, Welchen er an den Fingern offenbar eine Schlufsfolgerung deutlich 
macht. Unter den Zuhörern feffeln das Auge befonders der von ganz 
anderen Gedanken erfüllte Jüngling, der {ich auf einen Mauervorfprung 
mit dem Ellbogen {tützt und das Geficht Platon zuwendet, fowie der 
fchmucke, jugendliche Krieger, unter welchem Wohl das Bild des Alcibiades 
gedacht i{t. Der_ hinterfle der Zuhörer, ein _derber, grobknochiger Mann 
in kurzgefchürztem Rockie, winkt eifrig ein Paar herbei, welches aus der 
Ecke hervorkommt und in dem Jüngling, dem über der Haft und Eile 
der Mantel von der Schulter gleitet, die begeifterte Lernbegierde, in dem 
älteren, mit der Hand abwehrenden Mann das Zögern und Zaudern, 
Unterricht zu empfangen, verkörpert. 
Für die ganze Gruppe bietet fich die Bezeichnung: Dialektiker, 
am natürlichften dar. Dann bleibt von den Wiffenfchaften, welche auf die 
Philofophie vorbereiten, nur noch die Phyfik übrig. Sie kann nach der 
ganzen Anordnung des Bildes nur auf der rechten Seite, der Sokrates- 
gruppe gegenüber, ihren Platz gefunden haben, wo wir als Hauptperfon 
einen ftattlichen Greis mit langem weifsen Barte, vollfländig in einen 
Mantel gehüllt und einen anderen älteren Mann, der mit verhülltem 
Küpfe, auf einen Stab gefiützt einherfchreitet, wahrnehmen. Doch hat 
Raffael auf jede nähere Charakteriüik verzichtet, fo dafs diefelben nur 
gleich den anderen Figuren diefer Gruppe, dem Jüngling, der einen 
Pfeilervorfprung als Stütze und fein Knie als Schreibpult benützt, und 
dem benachbarten Manne, welcher ihm ruhig prüffend zufieht, als eine 
allerdings künftlerifch überaus wirkfame Staffage anzufehen Iind. 
Raffael hat die Gruppen und Geftalten nicht gleichmäfsig über die 
ganze BildHäche vertheilt; fxe drängen {ich gegen die Ecken und ge- 
Pcatten in der Mitte einen freien Ueberblick der Treppe. Nur wenige 
Figuren unterbrechen hier die gerade Flucht der Stufen. Am Fufse der 
Treppe fitzt, auf einen Steinwürfel die Arme aufftützend, in tiefftes Nach- 
{innen verfunken, ein einfamer Denker; auf der zweiten Stufe hat {ich 
Diogenes gelagert; die dritte {teigt behendfden Mantelzipfel nach Sitte 
der Italiener über die Schulter geworfen, ein Jüngling heran, dem Finger- 
Zeige des alten Mannes folgend, der, im Herabfchreiten begriffen, den 
Ffijgenden auf Platon und Arißoteles verwiefen hat. Die_Gründe für 
diefe Anordnung laffen {ich nicht fchwer errathen. Platon und Ariftoteles 
bildenwnicht für die handelnden Perfonen den ausfchliefslichen Mittel- 
punkt, auf welchen fich alle beziehen, von welchem fie die Richtung
	        
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