Volltext: Bis zum Tode Julius II. (Bd. 1)

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RAFFAEL 
IN 
ROM 
UNTER 
]UL1US 11. 
mächtige Geftalten: Ptolomäus vom Rücken gefehen, in einen weiten 
Mantel gehüllt, die zackige Krone auf dem Haupte, den Globus in der 
Hand und ihm gegenüberftehend ein würdiger Greis, Zoroafter mit der 
Himmelskugel. Beide wenden flch zwei (auf dem Carton nicht gezeich- 
neten) Männern zu, welche aus der Ecke des Bildes herauskommen und 
als die Porträte Raffaefs und feines Vorgängers Sodoma gelten. Für 
die Richtigkeit der Annahme, dafs der jüngere Mann mit dem Barett 
auf dem Kopfe Raffaefs Züge trage, fpricht nicht allein die Verficherung 
Anm. 11. Vafarfs fondern auch die Uebereinftimmung mit dem bekannten Selbft- 
porträt in Florenz, welches allen Verfuchen, es zu entthronen und andere 
Bildniffe (etwa jenes im Befitze des Fürften Czartoryski in Paris oder 
des Monfignore Marcello Maffarento in Rom) an feine Stelle zu fetzen, 
zum Trotze, feinen Platz behauptet. 
Die Gruppe auf der Gegenfeite, links im Vordergrunde, feiert die 
Arithmetik und Mufik. Ihr Erkennungszeichen lefen wir von der Tafel 
abjwelch-e ein fchöner Knabe derfelben vorhält. (Fig. 65.) Hier flnd in 
griechifcher Sprache die Namen für einen ganzen Ton und für die Confo- 
nanzen, die Quart, Quint und Octav: Epogdoon, Diateffaron, Diapente 
und Diapafon, ferner die Verhältnifszahlen für diefelben verzeichnet, fo wie 
fie das ganze Mittelalter fchon kannte und wie f1e noch im fünfzehnten jahr- 
Anm.12. hunderte Leo Battifta Alberti in feinem Tractate über die Baukunft und 
Marfilio Ficino in feinem Commentar zum Philebos ausführlich erörtert 
hatten. Unter den mufikalifchen Zeichen ift die nach Ariftoteles voll- 
kommenfte aller ZahlenX und, wie fie durch Addition der erften vier 
Zahlen gewonnen wird, vermerkt. Die Tafel bildet nun den Ausgangspunkt 
für die Thätigkeit der Gruppe. Da hat flch zunächft dem Knaben ein 
Mann auf ein Knie niedergelaffen und fchreibt, ohne auf feine Umgebung 
 achten, eifrig in das auf den Schenkel aufgeflützte Buch, was er 
weiter über Zahlen und Töne erforfchte. Die Tradition nennt ihn Pytha- 
goras, und allerdings erfcheint diefe markige Geftalt mit dem gewaltigen 
Kopfe, der gefurchten hohen Stirn, der nach innen gefammelten Kraft 
geeignet, eine auserlefene Perfönlichkeit zu verfinnlichen. Ein bärtiger 
Greis blickt ihm über die Schultern, bemüht nachzufchreibenpwas er in 
dem Buche erfpäht, oder deffen Inhalt mit feinen eigenen Forfchungen 
zu vergleichen. Die gleiche Neugierde treibt einen dunkel gefärbten 
Orfierntalen, für welchen kein beftimmter Name bereit Pceht, {ich vor- 
zubeugen und in der Schrift des knieenden Mannes zu lefen. Vor der 
1') Lermolieff, Die Werke ital. 
Meiiler. S. 472. Früher wurde in 
diefer Figur 
vermuthet. 
das 
Porträt 
Pemginds
	        
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