MICHELANGELUS
JUGEND.
ebenfo ununterbrochen wogt der Kampf von dem einen Ende der Tafel
zum anderen. Nur einzelne Hauptlinien, Lmgefnlcht, wie zufällig durch
die Umriffe der Körper entftanden, durchziehen die Fläche, gliedern den
Vorgang und gefellen dadurch zur höchPcen Wahrheit vollendete, künft-
lerifche Weisheit. Wahrlich, Michelangelo ifl der Antike niemals fo nahe
gekommen, wie in dem Centaurenkampfe, dem Werke feiner frühften
Jugend. 2
Die
Flucht
EIUS.
Florenz
hatte
wie
vertriebenen
Medici
die Stadt der Bentivoglios, nach Bologna, geführt, ein glücklicher Zufall
mit Gianfrancesco Aldrovandi, einem Kunftfreunde, zufammengebracht.
Was mochte wohl Michelangelo bei der Frage Aldrovandfs denken, 0b
er flch wohl getraue, am Grabmale des heiligen Dominicus einige noch
fehlende, von Gröfse übrigens wenig anfehnliche Figuren zu ergänzen?
Er fagte bereitwillig zu und meifselte aus Marmor die Heiligen Petronius
und Proculus und einen kandelabertragenden Engel. Der h. Proculus
ging frühzeitig zu Grunde, der Schutzheilige der Stadt dagegen über dem
Sarkophage und der Engel (zur Rechten des Befchauers auf der foge-
nannten Epiftelfeite des Altars) haben flch erhalten. Als Michelangelo
den Engel arbeitete, tauchte offenbar die Erinnerung an die empfangenen
Schuleindriicke in ihm wieder auf. Das Werk erfcheint alter als die
Centaurenfchlacht. Der Kopf mitdem kurzen Haar und dem energifchen
Ausdruck. befitzt wenig von dem Engelhaften, welches die gegenüber
knieende Engelsgeftalt des während der Arbeit in Bologna (2. Wärz 1494)
veritorbenen Niccolo dell' Arca auszeichnet. Wegen der entfchieden
gröfseren Schönheit ift diefe letztere eine Zeit lang für das XIVerk des
jüngeren Meifters gehalten worden. Die Falten des dicken Gewandes
am Engel Michelangelds kleben gleichfam am Körper an und. haben
keinen anderen Zweck, als die runden nackten Formen recht deutlich zu
betonen. Gleiche Eigenfchaften zeigt das Gewand der von Michelangelo
nur halb vollendeten (quasitotta) Statuette des h. Petronius. Neben eng
an den Leib anliegenden Stellen bemerkt man Pcark gebrochene kleine
Falten. Das Ganze macht den Eindruck, als ob Michelangelo nur eine
kurze Mufse auf die Arbeit hätte verwenden können. Und das war
auch der Fall, wenn die Nachricht auf Wahrheit beruht, dass er bereits
im Sommer 1495 wieder in Florenz thätig auftrat. Die neue Verfaffung,
welche Savonarolas Anhänger eingeführt hatten, machte im Palalte der
Signorie neue bauliche Einrichtungen nothwendig. Es galt, für die
Sitzungen des grofsen Rathes, an welchem von nun an über taufend