Volltext: Bis zum Tode Julius II. (Bd. 1)

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RAFFAEL 
IN 
ROM 
UNTER 
JULIUS 
erörtern. Diefe Männer: Sadolet, Phaedrus Inghirami, Fregofo u. a. ftanden 
nicht allein am Hofe Julius II. in grofsem Anfehen, fondern gehörten 
auch zu Raffaefs Freunden und Gönnern, und vermochten wohl den 
Künfiler zu berathen und mit ihren Gedanken zu erfüllen. 
Was in diefen Kreifen als Wahrheit galt und mit Begeifierung ge- 
glaubt wurde, läfst {ich ungefähr in folgende Worte zufammenfaffen: 
Engverwandt und befreundet find Philofophie und Theologie, beide 
göttliche Künfte, welche den Menfchen zur Betrachtung und Verehrung 
der himmlifchen Dinge anleiten. Die rechte Philofophie fagt daffelbe, 
was die wahre Religion offenbart, die wahre Religion widerfpricht nie- 
mals der rechten Philofophie, vor Allem, wenn fxe von dem igöttlichen 
Platom, dem wTheologene Platon gelehrt und überliefert wurde. Als 
ein zweiter Mofes, die attifche Zunge redend, erfcheint Platon; feinen 
Anhängern aber, den Platonikern, darf man nachrühmen, dafs {ie nur 
wenig von Chriften {ich unterfcheiden. Alles wird bei Platon auf Gott 
bezogen, Alles zu ihm emporgeführt. Platonismus ift in Wahrheit reine 
Gottesverehrung. Und Platon {ieht nicht allein und unvermittelt als 
Weltweifer da. Die Vorfehung hat es fo gefügt, dafs fchon im alten 
Oriente, in Periien wie in Aegypten, die Keime der wahren Weisheit 
fpriefsen, die dann zu den Thrakern, Italern und Griechen verpflanzt 
worden: Zoroafier, Orpheus und Pythagoras, {ie alle {ind fchon 
als Theologen zu begrüfsen, wenn {ie auch gezwungen waren, die reli- 
giöfen Geheimniffe noch in myftifche Zahlen und Zeichen zu hüllen oder 
unter der Schale poetifcher Erdichtungen zu bergen. Die reine und 
klare Wahrheit lehrte erft Platon, der nicht allein feine Vorläufer über- 
ragt, fondern auch über feine Nachfolger {ich erhebt. Denn wenn auch 
die Peripatetiker, wie die natürlichen Dinge nach Zahl und Maafs geordnet 
find, {ieifsig ergründet haben, fo war es doch Platon, welcher auf den 
Ordner felbft hinwies und zur Gottesverehrung aufforderte. Und diefe 
fromme Weisheit zeichnete alle feine Schüler aus bis auf Plotin, deffen 
Schönheit nicht minder ftrahlte, wie fein Wohlwollen bezauberte. Frauen 
folgten ihm nach, auf feine Lehren horchend, Eltern brachten ihm ihre 
Kinder, damit er {ie zu einem guten Leben anleite. 
Ein Aufüeigen von den körperlichen Dingen zu den unkörperlichen, 
geifiigen bis zu Gott, das ift der Inbegriff der Philofophie. Aber auch 
Wer die philofophifche Erkenntnifs {ich aneignen will, mufs ein folches 
Auffteigen und Emporklimmen verfuchen. Ueber dem Eingange der 
Akademie {teht gefchrieben: Niemand betrete diefe Räume, welcher der 
Geometrie unkundigl Und die Geometrie iPt nicht die einzige Wiffen- 
fchaft, welche auf die Philofophie vorbereitet. Eine gröfsere Reihe von
	        
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