Volltext: Bis zum Tode Julius II. (Bd. 1)

DER 
PARNASS. 
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Hintergrund, in welchem links die Anftalten zu einem Kirchenbau ge- 
troffen werden, rechts die bereits aufgerichteten Quadern eines mächtigen 
Fundamentes (Peterskirche?) {ich bemerkbar machen, trägt einen aus den 
früheren Bildern wohlbekannten Charakter. Sicher ift, dafs diefehAnklänge 
an die Horentinifche Periode in keiner Freske mehr wiederkehren. 
Die Freske auf der an die Disputa anflofsenden Fenfterwvand ifi der 
Verherrlichung der Poefie gewidmet und fchildert die Gemeinde grofser 
Dichter alter und neuerer Zeit, welche {ich unter dem Schutze Apollds 
und der Mufen auf dem P arnafs verfammelt haben. Ein grofses Fenfter 
unterbricht die Wandliäche; doch fand Raffael darin kein erfchwerendes 
Hindernifs für die freie Entfaltung feineriCompofition, entdeckte vielmehr 
in dem Fenfiereinbau ein wirkfames Motiv, die Scene freier zu gliedern. 
Ueber dem F enfter war der natürlich gegebene Raum für den Gipfel 
des Mufenhügels, welcher auf beiden Seiten des Fenfters {ich fachte 
herabfenlqt. Und diefe Gliederung fcheint Raffael von allem Anfange 
bereits fefigehaltexi zu haben. Wenigfiens zeigt {chon der frühePte Ent- 
wurf, der {ich vom Parnafs erhalten hat, ein Studium nach dem Nackten 
in Oxford (Br. 30), diefe Anordnung, ohne dafs irgend ein Schwanken 
und uniicheres Rathen bemerklich wäre. Das Oxfordblatt, eine Bifter- 
Zeichnung mit der Feder, ifi freilich keine Originalarbeit Raffaefs, geht 
aber jedenfalls in der Compofition auf eine Zeichnung des Meifters 
zurück, mag auch der Schüler zu feiner Uebung, wie es nicht felten 
gefchah, die drapirten Figuren in nackte verwandelt haben. Es befitzt 
für uns doppelten Werth, weil es der einzige erhaltene Entwurf zum 
ganzen Bilde ifi. Der berühmte Kupferüich Marcantons, welcher eine 
vielfach von der Freske abweichende Darftellung des Parnaffes zeigt, 
bat keinen Anfpruch, etwa wegen diefer Abweichung als eine Vorftufe 
der Compofition zu gelten. Diepan Manier ftreifende Haltung Apollds, 
für deffen untere Körperhälfte ein bekanntes antikes Relief 5:) zum Mufter 
diente, überhaupt die faft ängftliche Annäherung an die Antike, weiter 
fodann die gezierte Haltung der drei Mufen links von Apoll, vor 
Allem aber die Zeichnung der Gewänder weifen auf einen Schüler 
Raffaefs, der an dem f p ateren Stile des Meifters {ich geübt hatte und 
mit Benutzung Raffaelifcher Motive, lange nachdem der Parnafs im 
Vatican gemalt war, die Vorlage für den Kupferflecher zeichnete. 
Im Louvre, 
ßllS 
der Sammlung 
Borghefe. 
Clarac 
DL 
123 
731.
	        
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