DIE
UNTERE
HÄLFTE
DER
DISPUTA.
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mit emporgehobener Rechten gegen den Himmel und giebt dem Blicke
des heiligen Ambrofius die Richtung. Die nothwendige Ergänzung diefer
beiden Figuren bilden die zwei, gleichfalls erft nachträglich componirten,
hOChragenden Geftalten auf den unteren Stufen des Altarraumes: auf der
linkenhSeite vom Rücken gefehen, ein Mann von mächtigen Gliedern,
der den Mantel fo auf der einen Achfel befeftigt trägt, dafs der rechte
Arm unbedeckt bleibt und frei herauskommt, ihm gegenüber ein Papft
in reichem goldgeftickten Ornate. Diefer wiederholt die Geberde des
Ambrofius; er ift gleichfalls der Offenbarung theilhaftig geworden und
VOHBegeiPIerung erfüllt; fein Gegenbild dagegen zeigt mit der Hand
auf das Buch, das Papft Gregor auf feine Kniee aufftützt und gehört
Offenbar dem Kreife der Forfcher an. So prägt {ich in allen vier
Männern, in jenen dicht am Altare und den anderen auf den vorderften
Altarftufen die Empfindung aus, welche die Kirchenvater auf ihrer Seite
bewegt; in ihrer äufsern Erfcheinung aber kreuzen fie fich. Dem Geiß-
lichen des Hintergrundes und Laien im Vordergrunde links entfprechen
rechts der Laie im Hintergründe und der Geiftliche im Vordergrunde.
Dadurch wird jener vollendete Rhythmus in der Anordnung und Gruppi-
rung erzielt, welcher fchon längPc an den Stanzenbildern bewundert und
gepriefen wurde.
Die Bewegung, in der unmittelbaren Nähe des Altares angeregt,
pflanzt flChUabCf noch weiter bis an den Rand des Bildes fort. Zwei
Gruppen fchliefsen hier die Scene; beide hängen fo eng und feft mit
den Hauptgruppen zufammen, erfcheinen als eine fo nothwendige Er-
gänzung derfelben, dafs man kaum begreifen kann, wie fie in den
früheften Entwürfen übergangen werden konnten, Sie find in der That
CTLQ fpäter eingeordnet, aber nicht äufserlichangefügt, vielmehr von
Raffael, als noch die fchöpferifche Kraft voll ftrömte, gezeichnet worden.
Auf eine durchbrochene Schranke hat ein älterer Mann, mit überaus
fcharf gefchnittenem Kopfe, ein offenes Buch geftellt und deutet mit der
Hand auf einen dafelbft niedergefchriebenen Satz hin. Neugierig blicken
und laufchen die nächflen Genoffen. Der eine beugt {ich ftark vor, der
andere ftreckt den Hals, um den Inhaltuzu erfpähen. Vor ihnen aber
fleht einiglaubenseifriger, fchöner Jüngling, das Haupt von goldenen
Locken umrahmt, über die Schulter leicht den Mantel geworfen, das
milde, klare Antlitz den noch in der Erkenntnifs Unficheren und Un-
geübten zugewendet. Er weiß; fie mit fprechender Geberde auf die
Gruppen am Altare hin, wo die Quelle der Belehrung fliefst. Auf der
entgegengefetzten Seite übt das Amt des Führers und Leiters ein voll-
bärtigier, älterer Mann. Ein jüngeres Glied der grofsen Gemeinde hat
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