224;
RAFFAEL
IN
ROM
UNTER
jULlUS
gezeichnet und diefem eine ähnliche Kopfbedeckung gegeben, wie fie
die Geftalt in der Disputa links vom Himmelsthrone zeigt. Erkennen
wir in diefer letzteren alfo den Propheten Jeremias, fo mufs folgerichtig
in dem gewappneten Manne gegenüber der letzte grofse Held des Juden-
thums, Judas Maccabäus, begrüfst werden.
Stiller Ernft und feierliche Ruhe ift die Grundftimmting, welche in
dem ganzen weiten Kreife der Heiligen waltet. Sie wird nur foweit
unterbrochen, als das künftlerifche Gebot, für einen Wechfel der Be-
wegungen und eine Mannigfaltigkeit des Ausdruckes zu forgen, feine
Erfüllung verlangt. Immerhin bleibt aber leidenfchaftslofes Beharren der
wefentliche Zug in allen Perfonen. Die Apoftelfürflen find in ein fcharfes
Profil geftellt und lenken den Blick kaum merklich nach oben. Von
Paulus befitzt die Oxfordfammlung (Br. 29) eine Skizze in Kohle und
fchwarzer Kreide mit aufgehöhten Lichtern, welche weit deutlicher als
die farbige Freske den Zuftand des ruhigen Zuwartens ausfpricht. Dort
nämlich fafst der Apoftel nicht wie auf dem Gemälde das Schwert mit
der Linken, fondern hat mit der Hand in den ftattlichen Bart gegriffen.
Auch in der prächtigen nackten Geftalt ifldailfs neben Petrus erfcheint
das befriedigte ruhige Dafein ausgeprägt. Er hat die Beine übereinander
gefchlagen und die Hände, um die Bequemlichkeit zu erhöhen, um das
Knie gelegt. Neben ihm fehen wir den jugendlichen Evangeliften ganz
vertieft in die vor ihm aufgefchlagene Schrift, der gar nicht merkt, dafs
fich ihm der königliche Sänger _mit herzlicher Theilnahme zuwendet.
Erft Laurentius zeigt eine erhöhte Stimmung und eine lebhaftere Be-
wegung. Er weilt mit ausgeftrecktem Arm auf die unten verfammelte
Gemeinde, auf welche er auch herabblickt, während fein Partner auf der
anderen Hälfte des Halbkreifes, der heilige Stephanus, den Kopf in
fcharfer Wendung den höheren Himmelsfphären zukehrt. Die anderen
Geftalten auf der rechten Seite gehen dann wieder in das ruhige Geleife
zurück. Mofes, die Gefetzestafel mit beiden Händen vor {ich haltend,
blickt gerade aus, der heilige Jacobus, die Arme auf ein aufrechtftehendes
Buch geftiitzt, hat nachdenklich das Antlitz geneigt; Abraham, ähnlich
wie ihm gegenüber Adam, wendet den Kopf langfam und ruhig dem
Apoftel zu. Mit diefer durchgehenden Gemeffenheit des Ausdruckes und
der Bewegung ftimmt vortrefflich das Colorit. Es vermeidet alle fcharfen
Contrafte und läfst einen milden Ton gleichmäfsig walten. Will man
das volle Verftändnifs diefes himmlifchen Paradiefes gewinnen, fo ver-
gleiche man es mit verwandten älteren Darftellungen, insbefondere mit
dem Halbkreife von Heiligen, welchen Raffael in San Severo gemalt
hatte. Kein halbes Jahrzehnt war feitdem vergangen, und doch fcheint