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RAFFAEL
ROM
JULIUS
UNTER
erreicht, dafs der Künftler die anftofsende Gruppe noch ftärker in den
Hintergrund rückte. Im Ganzen leitete ihn bei der Zeichnung des
frankftirter Blattes das Streben, die Hauptgruppen kräftiger zu betonen,
die einzelnen Geftalten im Ausdruck und in charakteriitifcher" Bewegung zu
vertiefen. Darüber trat der Flufs der Linien, der formelle Zufammenhang
der ganzen grofsen Compofition etwas zurück. Beide zu vereinigen,
bildete die Aufgabe der nächftfolgenden Entwürfe. Diefe weitere Stufe
führt uns, und zwar ebenfalls für die linke Hälfte, aufser einer Skizze im
Befltze eines englifchen Kunftfreundes, Henry Vaughan, eine mit Weifs
überhöhte Sepiazeichnung in der Albertina (Br. 173) vor, welche fchon
in älteren Zeiten wiederholt wurde.
Die gröfste Neuerung und einen entfcheidenden Schritt zur Vollendung
der Compofltion wagte Raffael, indem er zwifchen die knieenden Figuren
und' den lefenden Papit eine mächtige Geftalt einfchob, welche ganz
abgefehen von ihrer inhaltlichen Bedeutung den bis dahin todten Raum
die Lehnen des Marmorftuhles waren übermäfsig fichtbar geblieben
in lebendigfter NVeife ausfüllt und ungezivungen von einer Gruppe zur
anderen überleitet. Die drei knieenden Jünglinge, einer hinter dem anderen,
find von einer gewiffen Einförmigkeit nicht frei zu fprechen. Auf dem
NViener Blatte erfcheint der eine ganz in den Hintergrund gedrängt, der
andere wird vorfchreitend gedacht und beugt {ich über den knieenden,
um den Vorgang am Altare beffer fehen zu können. Die Grundftimmung
wurde feftgehalten, in die Bewegung aber Mannigfaltigkeit gebracht.
Die Hauptfigur in der Eckgruppe zeigte bisher Rückenanflcht; fxe wurde
nun herumgedreht und dadurch zu einer der hervorragendften Perfonen
des Bildes erhoben. Endlich ftellte Raffael noch unmittelbar neben dem
Altar, wo urfprünglich wenigfagende Mönchsköpfe herauslugten, eine
markige Greifengeftalt hin, welche energifch in die Action eingreift und
zu den Markfleinen der ganzen Compofltion gezählt werden mufs.
Kein Zweifel, dafs die andere, rechte Hälfte des Bildes eine ähnliche
Entwickelungsgefchichte befltzt und auch hier zu den Kirchenvätern und
ihrem geiftlichen Gefolge allmählich Geftalten hizutraten, durch welche
die Stimmungen und Empfindungen der Gemeinde einen verftärkten
Ausdruck empfingen und in die Gruppen Leben und Bewegung kam.
Zu diefen fpäteren Ergänzungen müffen die mächtige Greifenfigur dicht
am Altar, welche mit emporgehobenen Armen nach oben weilt, der Papft
lauf der unterften Stufe, welchem eine himmlifclie Vifxon zu Theil wird,
und endlich der bekränzte Alte neben der Schranke gezählt werden.
Diefes zu behaupten, giebt die ftrenge Gefetzmäfsigkeit der Anordnung
das Recht. Zwifchen den beiden Hälften des Bildes herrfcht eine fo