DIE
DISPUT A.
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dichter, hat er gewifs den gröfsten Lyriker feines Volkes nicht unbeachtet
bei Seite gelaffen fo traf er im trionfo d'amore und im trionfo
della f ama auf grofse Geftaltenkreife, welche durch eine gemeinfame
Idee, der fle dienen, vereinigt werden. Das eine Mal zählt Petrarca die
Dichter auf, welche Liebe gefühlt und Liebe befungen haben: Orpheus
und Dante, Pindar, Sappho, Tibull und Properz u. f. w. Der trionfo
della fama preift die alten ruhmreichen Römer, die Männer des Schwertes,
dann aber auch die Helden des Geiftes, die grofsen Denker, die Weifen
des Alterthums. Platon und Ariftoteles führen diefe Schaar an in
ihrem fiattlichen Gefolge begrüfsen wir Pythagoras und Sokrates, Homer
und Virgil, Zeno und Diogenes, Heraklit und Demokrit.
Aus feiner eigenen Jugendzeit erinnerte er {ich an die Malereien im
herzoglichen Palafte zu Urbino. Dort hatte Herzog Federigo da Monte-
feltro in feinem iftudioa die Philofophen, die Dichter, die Theologen,
deren Werke feine Bibliothek zierten, abbilden laffen. Es waren nur
Einzelportraits, jedes Gemälde von dem anderen unabhängig, keines von
befonderem Kunfiwerthe oder von einer höheren Auffaffung getragen.
Um {ie aber in feiner Phantafie in einen idealen Zufammenhang zu bringen,
brauchte Raffael nur in der Reimchronik feines Vaters die Stelle aufzu-
fchlagen, welche von der Bibliothek in Urbino handelt und die Vertreter
der grofsen geiftigen Richtungen geradezu nach Gruppen gliedert:
Primo di quel colegio facro e fancto
Theologi divoti Popre tucte
Coperte e ornate de mirabil manto.
E le fcripture poscia che conliructe
De Philofophi antichi al mondo furo
Quando hozi fe ne trova ivi en rediicte,
Le {lorie tucte, el facro confiüoro
De chiar Poeti e i nobili Legifti.
XVenn Raffael an den Wänden der Stanza della Segnatura die Ge-
meinden der Gläubigen, der Wiffenden, der poetifch Begeifierten fchildert,
die Triumphe der Theologie, Philofophie und Poefie feiert, welche in
den Gefialten der Helden chriftlicher Lehre und Offenbarung, in den
XVeifen des Alterthums, in den Dichtern und Sängern von Hellas, Rom
und dem neuen Italien verkörpert werden, fo hat er demnach fiofflich
nichts Neues erfunden. Die Verwandtfchaft mit älteren Darfiellungen
würde noch in viel fiärkerem Maafse an den Tag treten, wäre nicht
durch die formelle Behandlung der Gegenfiande ein neues bisher unge-
ahntes Leben in diefelben gekommen. Hier zeigte {ich die Schöpferkraft
des Künftlers in ihrem höchften Glanze. Alle früheren Schilderungen