Volltext: Bis zum Tode Julius II. (Bd. 1)

DIE 
ZWICKELBILI )ER. 
Grenzen doch wieder erweitern mufs. Die Bewunderung der charakter- 
vollen Gröfse der Propheten und Sibyllen macht nicht blind für die 
dramatifche Gewalt der Zwickelbilder in den vier Ecken des Gewölbes; 
höchftens dafs man fich eine bequemere Stellung, f1e zu betrachten, 
wünfchen möchte. 
Das vom Künftler angefchlagene Thema: Von den Folgen des 
Sündenfalles und der Sündhaftigkeit des Menfchengefchlechtes kann nur 
Chriflus erlöfen; diefe Erlöfung ahnen, auf fie hoffen und harren bereits 
im alten Teftamente Weife Männer und kluge Frauen, liefs eine Er- 
weiterung zu. Durch den Schutz, welchen jehova feinem Volke in den 
fchwierigften Lagen verliehen hat, ifl die Zuverflcht auf die Erlöfung 
geftiegen. Und da der Raum zu einer folchen Vertiefung des Inhaltes 
vorhanden war, fo malte Michelangelo in die Ecken der Wölbung vier 
rettende Thaten, welche das Volk Israel aus der gröfsten Gefahr be- 
freien. Die Tödtung Goliath's fchildert das erfte Bild. Der Riefe 
liegt wehrlos, trotz allen Anftrengungen unfähig, fich zu erheben, auf 
dem Boden. David hat {ich breitfpurig über feinen Leib geflellt und 
holt mit dem kurzen Schwerte aus, um dem Riefen den Todesftreich 
zu verfetzen. 
Das zweite Bild, in drei Abtheilungen gegliedert, erzählt juditlfs 
Heldenthat. In der linken Ecke fchläft der Wächter, in der Abtheilung 
rechts liegt auf dem Ruhebette in letzten Zuckungen der Leichnam des 
Holofernes. Der eine Arm hängt bereits schlaff und leblos zur Erde, 
der andere hält aber noch krampfhaft die Lage feft, die er im letzten 
Augenblicke des Bewufstfeins eingenommen. Nach einer Waffe über 
feinem Kopfe hatte Holofernes greifen wollen, als ihm Iudith den tödt- 
lichen Streich verletzte. In der Mitte des Bildes, auf der Schwelle des 
offenen Gemaches fleht Judith. Von einer unheimlichen Empfindung 
berührt, wirft f1e noch einen fcheuen Blick nach dem Schauplatz der 
Blutthat und unterbricht für eine Secunde ihre Befchäftigung, mit einem 
Tuche den Korb zu verhüllen, in welchem die Magd das blutige Haupt 
des Holofernes davonträgt. Dafs zwifchen diefer Gruppe und einer 
Frauengruppe auf einem gefchnittenen Steine, der unter dem Namen 
Siegelring Michelangelds berühmt ift und im Louvre bewahrt wirdfii) 
der engfle Zufammenhang waltet, dafs unfehlbar die eine Darftellung 
von der andern entlehnt wurde, darüber kann kein Zweifel beflehen. 
Der Gegenfland der Gemme erfcheint zwar von dem Inhalt der Freske 
Weit entfernt; Er fchildert das Geburtsfefl des Bacchus oder eine Wein- 
Abgebildet u. 
bei Bucher, Gefch. 
technifchen Künfie. 
Taf. II.
	        
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