DIE
PROPHETEN
UND
SIBYLLEN.
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Sibyllen zieht er weitere Schranken, die weiteften, als er die cumäifche
Sixbylle, die nächfte an Daniel, darftellte. Vielleicht, dafs das Bild
einer Zauberin dem Künftler vorfchwebte und er in diefem wuchtigen
Leibe, diefeni gefurchten Geüchte das unheimliche Treiben, den Umgang
mit finlteren Gewalten andeuten wollte. Um den Contraft zu erhöhen,
hat Michelangelo der Seherin ein reizendes Knabenpaar zur Seite geflellt,
Die Delphifche Sibylle.
Sixtinifche Kapelle in Rom.
welches (ich eng umfchlungen hält und harmlos fröhlich zufieht, wie die
Alte in dem auf die Stuhllehne gelegten Buche nach Geheimniffen fpäht.
In die lichte Welt der Begeifterung führt uns wieder der Prophet Jefai a s
(Fig. 55). Ihn fchildert der Künftler, wie er das Haupt dem begleitenden
Knaben zuwendet, der mit emporgehobenem Arm auf eine himmlifche
Offenbarung hinweift. Das Buch kann jetzt gefchloffen ruhen; wie forg-
fältig aber der Prophet den Augenblick zuvor in demfelben geforfcht,
fagt uns noch feine Stellung. Die Beine lind ruhig gekreuzt, der eine