Volltext: Bis zum Tode Julius II. (Bd. 1)

172 V. DIE DECKENBILDER IN DER SIXTINISCHEN KAPELLE. 
 
des Vaters zuzudecken, indem er zugleich, wie das den Brüdern zuge- 
wendeE-r Geiicht ausfpricht, Cham über feinen unfrommen Sinn heftige 
Vorwürfe machtfe) 
Wenn Condivfs Bericht von der Zeitfolge der Deckenbilder der 
Wahrheit entfpricht, fo offenbaren gerade die früheften Bilder die gröfste 
dramatifche Gewalt. In den fpäteren Gemälden der Decke fcheint es, 
hatte {ich Michelangelo die Aufgabe geftellt, Einzelgeftalten zu fchaffen, 
in welchen ein übermächtiges Empfindungslebien das gewöhnliche Maafs 
der Bewegungen und der Verhältniffe zu überfchreiten droht und nur durch 
die dem Meifler eigenthümlichen grofsen Formen zufammengehalten wird. 
Einer plaftifchen Phantafie entiiammend, aber gar häufig nicht ganz 
einfach fo geftimmt und bewegt, um im plaiiifchen Materiale verkörpert 
zu werden, deffen Rahmen fie vielmehr fprengen würden, entfalten diefe 
Gefialten erft dann ihre ergreifende, gewaltige Schönheit, wenn fie in 
dem leichten, den Ausdruck und die Empündung feiner abtönenden 
malerifchen Scheine wiedergegeben werden. Sie gehören einem Zwifchen- 
reiche an, welches Niemand fo vollkommen beherrfchte wie Michelangelo. 
Schon die Figur ]ehova's nähert {ich demfelben, unbedingt herrfcht es 
in den weltberühmten Geftalten der Propheten und Sibyllen, 
welche die Deckenbilder zu beiden Seiten begleiten und zwifchen den 
Pfeilern des architektonifchen Hauptgerüftes fitzend dargeftellt lind. Ihr 
Recht, hier zu erfcheinen, ziehen fie aus dem Gedankenkreife, welcher 
dem ganzen Bilderfchmuck der Sixtina zu Grunde liegt. Wie die Er- 
löfung in die NVelt kam, follte in grofsen Zügen erzählt werden. Die 
Mittelbilder fchilderten die Schöpfung, den Sündenfall, den neuen Verderb 
der Menfchheit und den neuen Bund mit Gott. Der Erlöfungsgedanke 
und die Erlöfungshoffnung gingen nun nicht wieder verloren, bis der 
Meffias zu den Menfchen herabfiieg. Diefes bezeugen und offenbaren 
fürijuden und Heiden, alfo für die ganze Menfchheit, die Propheten und 
Sibyllen, die deshalb folgerichtig hier ihren Platz finden müffen. 
Für die Zahl und die Auswahl der Propheten und Sibyllen waren 
die räumlichen Verhältniffe und die künftlerifchen Intereffen allein maafs- 
gebend. Die mittelalterliche Ueberlieferung gab darüber keine Regel. 
Wenn das Kirchenlied des Thomas de Celano nur von dem Propheten 
David und einer Sibylle als Zeugen des Weltbrandes fpricht, fo haben 
VII. 
ü) Den 
271. 
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