MICHELANGELU S
BERUFUNG
NACH
BOLOGNA.
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Unterdeffen trat eine neue Wendung der Dinge ein. Papft Julius
war am 26. Auguft von Rom aufgebrochen, um gegen die Baglioni in
Berugia und gegen die Bentivoglio in Bologna zu Felde zu ziehen.
Nach dem Befitz diefer beiden Städte hatten fchon langft die Päpfte die
Hand ausgeftreckt, jetzt fchien endlich der Zeitpunkt gekommen, f1e dem
Ijirchenftaate einzuverleiben. Ohne Schwertfchlag zog julius II. in Perugia
ein. Der Gewaltherrfcher Giampolo Baglioni wagte keinen Widerftand
und erfchien durch die Nähe des Papftes wie gelähmt. Auch Bologna
capitulirte, nachdem Giovanni Bentivoglio die Stadt geräumt hatte, und
huldigte dem Papfte, der am IO. November 1506 als Sieger einen
pomphaften Einzug hielt. Die Kenner des Alterthums wurden an die
Triumphzüge der römifchen Cäfaren erinnert, befonders jenes erften Cäfar,
mit welchem der Papft den Namen und, wie die Schmeichler meinten,
auch den Ruhm theilte. Selbft die Natur huldigte dem Siegesfürften
und liefs dem Winter zum Trotz auf feinem Wege Rofen fpriefsen. Als
Retter des Vaterlandes, als Wiederherfteller der Freiheit begrüfste ihn
das jubelnde Volk. Diefer Augenblick höchflen Ruhmes verdiente wohl
verewigt zu werden. Der Papft befchlofs, feine eigene Statue in Bologna
agfrichten zu laffen. Da trat naturgemäfs Michelangelds Perfönlichkeit
wieder "in den Vordergrund. Den todten Papft auf feinem Grabmale
auszumeifseln, war ihm verwehrt worden, dafür follte er gleichfam zum
Erfatze dgnwlebendigen Papft in feiner ganzen Herrlichkeit verkörpern.
Abermals wurde die Rückkehr Michelangelds angeregt. Der Cardinal
V0n Pavia richtete (2I. November) an die Signorie die dringende Mah-
nullg, Michelangelo nach Bologna zu fenden, xweil der Papft hier einiges
V0n ihm will fchaffen laffem. Diefesmal endliclMdrang die Signorie
durch. Michelangelo wagte nicht mehr zu widerftehen und begab fich,
allerdings mit dem Gefühle, als hätte er einen Strick um den Hals, nach
BoIogna. Die Signorie empfahl ihn noch einmal kräftigit dem Cardinal
und gab ihm einen Geleitsbrief (27. Nov.) mit auf den Weg, deffen
Wortlaut für die Stellung Michelangelds in feiner Vateritadt und für
die Art, wie man in den bePcen Kreifen von ihm dachte, bezeichnend
iPf- vDer Ueberbringer ift der Bildhauer Michelangelo, der gefendet
Wird, um Sr. Heiligkeit, unferem Herrn, nach feinem Gefallen zu will-
fahren. Wir verflchern, dafs er ein trefflicher junger Mann fei und in
feiner Kunft einzig in Italien, ja vielleicht in der ganzen Welt. Wir
können ihn nicht dringend genug empfehlen; er ift der Art, dafs man
mit guten Worten und Sanftmuth alles von ihm erreichen kann. Man
mufs ihm Liebe zeigen und Wohlwollen erweifen und er wird Dinge
thun, die einen jeden, der fie fleht, in Erftaunen fetzen werdenk