Volltext: Bis zum Tode Julius II. (Bd. 1)

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ROM 
UNTER 
JULIUS 
Freund in ihm fchädigt und einen Bundesgenoffen flch auserwählt, deffen 
Macht er vielleicht fpäter fürchten mufs. Von ähnlichen heftigen Trieben 
liefs er {ich auch als Papft bePcimmen; da er Iaber vollkommen frei war 
von perfönlicher Selbfifucht, {ich mit der päpfilichen Würde eins fühlte, 
fo brach er dem Vorwurf launenhaften Wefens die Spitze ab. Was ihn 
im gegebenen Augenblicke befchäftigte, das fuchte er um jeden Preis 
durchzufetzen, und wenn er auf Widerftand ftiefs, fo bemächtigte {ich 
feiner ein gewaltiger Zorn. Was ihn aber befchäftigte, war mit grofsen, 
allgemeinen Intereffen verflochten und darnach angethan, ihm Ruhm zu 
erwerben. Die Barone, welche die Borgia's zu Gunften der eigenen 
Hausmacht vernichten wollten, bändigte und unterwarf er der päpftlichen 
Herrfchaft. Die Venezianer, welche die Romagna nicht räumen wollten, 
bekriegte er mit geiftlichen und weltlichen Waffen, bis er fein Ziel erreicht 
und dem Kirchenfiaate das beftrittene Land, Rimini, Ravenna, Faenza u. a. 
zurückerobert hatte. Dem Streite folgte, nachdem der Papft feinen Willen 
durchgefetzt hatte, die Verföhnung auf dem Fufse nach. Ein anderes 
mächtigeres Intereffe erfüllte feinen Geift. Er hatte nicht Venedigs An- 
mafsung über Gebiete des Kirchenftaates duldeniwollen, er konnte noch 
weniger die Herrfchaft der Fremden in Italien ertragen. Der Mann, 
welcher den Ehrgeiz befafs, vHerr undilVleiflzer des Spieles der Weltr zu 
werden, konnte {ich nicht zum Caplan eines fremden Fürfien erniedrigen 
laffen. Das aber fürchtete er, wenn dem Vordringen des franzöflfchen 
Königs nicht Einhalt geboten werde. Als {iebzigjähriger Greis nahm 
Julius II. den Kampf auf. Niederlagen brachen ihn nicht, Siege blendeten 
ihn nicht, gaben ihm nur den Muth zu noch kühneren Entwürfen. bHiHaUS 
mit den Barbaren aus Italiene, war noch in den letzten Tagen fein 
Herzenswunfch gewefen. Als gewaltiger kluger Fürft lebt julius II. zumeift 
in der Erinnerung der Nachwelt; als den Papft, der Petrarcas Lehre 
von den völkerfcheidenden Alpen gleichfam zum Wahlfpruch erhoben, 
rühmen ihn die Freunde des nationalen Staates. Dafs fein Wefen und 
Wirken der Lehre des Evangeliums fchlecht entfprach und die chriftlichen 
Tugenden ihm ftets fremd blieben, bekennen freilich auch alle Unbefangenen. 
Mit diefen pofitiven und negativen Eigenfchaften erfcheint aber feine 
Natur nicht erfchöpft. Bei allem weltlichen Streben blieb Julius II. {ich 
doch der Bedeutung, welche der Papfiwürde innewohnte, wohl bewufst. 
Fromme Empfindungen wurden dadurch in feiner Bruft nicht geweckt, allen 
Unternehmungen aber die Richtung auf das Grofse und Allgemeine gegeben. 
Wie feine kriegerifche Politik keineswegs durch Nepotismus beftimmt 
wurde, die Früchte feiner Siege vorwiegend der Kirchenftaat einheimfie, 
fo ruht auch feine Begünftigung der Künfte nicht auf blofser perfönlicher
	        
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