DIE
RENAISSANCE
ROM.
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der Knechterr feit Menfchengedenken eingeräumt war, zu Wahren. Seit-
dem das Kaiferthum verfallen und zur Machtloügkeit verurtheilt war,
hatte auch die päpftliche Würde ihr weltbeherrfchendes Anfehen verloren.
Zum Glücke, dafs der gläubige Sinn von dem Papftthum {ich noch nicht
abgewendet hatte und fein materieller Befitz ihm eine gewiffe Kraftent-
faltung inmitten der eiferfüchtigen, in fleter Fehde begriffenen italienifchen
Staaten geftattete. Mit grofser Gewandtheit fchüttelte es die mittelalter-
liche Tradition auch in politifcher Beziehung ab, verwandelte fich in ein
weltliches italienifches Fürftenthum und betrieb mit leidenfchaftlichem Eifer
die__Gründi1ng einer Hausmacht, ähnlich wie {ie die anderen Dynaftien in
Italien anftrebten. Es kamen die Zeiten eines Sizgtus Rovere und Ale-
xander Borgia. Die Ziele diefer rait- und ruhelofen Männer Pcimmten zwar
mit der allgemeinen Geiftesrichtung überein, widerfprachen aber in empfind-
lichPter Weile den überlieferten und geheiligten Grundlagen des Papft-
thums. Es galt, die F amilienmacht zu Pceigern; es gab aber keine
legitime Papflfamilie. Unter den Angehörigen der Päpfte konnte man
nur Nepoten oder wohl gar Papltföhne verftehen, Perfonen, deren angeb-
liches Recht, ja deren Dafein dem Papftthume geradezu Hohn fprach.
Eine fo arge Verkehrung {ittlicher Verhältniffe mufste zum Fluche wer-
den, alle Handlungen arteten unter der Laft derfelben zu rohen Gewalt-
fchlägeii aus, das ganze Leben verlor den inneren Halt und den fePcen
Kern. Wenn man die Zuftände und Sitten Roms im letzten Viertel des
fünfzehnten Jahrhunderts beobachtet, möchte man fchier glauben, bei dem
Wegräumen des mittelalterlichen Schuttes fei die oberfte Schichte der
Antike, das römifche Cäfarenthum, entblöfst worden und mit diefem alle
bis dahin in die Erde gebannten Dämonen wieder frei geworden. Alle
Gräuel der Imperatorenzeit: Mord, Treubruch, Verfchwörungen, Blut-
fchande, blinder Taumel vom üppigften Lebensgenuffe zur frevelhaften
Verfpottung aller Dafeinsmächte, die entfetzliche Mifchung von Wolluft
und Graufamkeit tauchen empor und erfüllen die römifche Luft. Die
Zeitgenoffen dachten weniger ftreng von dem weltlichen Treiben der
Päpfte, als wir Nachgeborenen. Dafs aber die eingefchlagene Richtung
nicht zum Ziele führen könne, wurde auch ihnen bald klar. Die Nepoten
jedes folgenden Papftes waren die natürlichen Gegner der alten Nepoten,
durch jeden neuen Papft erfchien der eben errungene Machtzuwachs in Frage
geftellt. Da war es ein grofser Gedanke und der Gedanke wurde zu einer
Weltgefchichtlichen That, als der am I. November 1503 neu gewählte Papft
Irulius II. Rovere als Erben der politifchen Macht nicht wechfelnde Per-
fonen, fondern eine dauernde Inftitution, nicht Nepoten, fondern den Kirchen-
ftaat felbft einfetzte. Er brach nicht mit der politifchen Richtung feiner