Volltext: Bis zum Tode Julius II. (Bd. 1)

PREDELLA 
ZUR 
GRABLEGUNG. 
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Aber auch 
unverfehrten Zuffande würde 
das Bild 
kaum 
einen 
wefent- 
lich verfchiedenen Eindruck hervorrufen. Raffaefs fchönfarbiger Auftrag, 
bisher an Einzelfiguren und Einzelgruppen erprobt, zeigte {ich für {iguren- 
reiche Compoütionen in der Tiefe noch nicht ausreichend. Entfcheidend 
für den fchwächeren Eindruck wirkt aufser dem UmPcande, dafs die 
zahlreichen, wie Silhouetten {ich abhebenden Prolilköpfe eintönig erfcheinen, 
der Mangel an Naivetät in der Compofition. Gewifs {ind die drei kleinen 
Predellabilder, welche unter dem grofsen Altargemälde der iGrablegung 
angebracht waren, gleichfalls die Frucht eingehender Studien. Von einer 
diefer grau in grau gemalten Predellentafeln hat {ich noch der Entwurf Anm. 
(Albertina; Br. 186) erhalten. Dennoch erregen {ie den Schein unmittel- 
barer Improvifation. In drei Rundbildern find die drei chriftlichen Tugen- 
den: der Glaube, die Hoffnung und die Liebe, als liebreizende Frauen 
verkörpert, jeder Figur zwei geflügelte Knaben, in vertieftem Rahmen, 
zur Seite geftellt. Der Glaube hält den Kelch mit der HoPcie empor, 
die Hoffnung ift betend mit gefalteten Händen gefchildert, die Caritas 
wird als Mutter mit traulich {ich anfchmiegenden Kindern gedacht. Da 
allen diefen Bildungen das Madonnenideal zu Grunde lag, fo fühlte {ich 
Raffael durchaus heimifch und unbedingt ficher, während auf dem Ge- 
mälde der Grablegtmg zwar alle Schwierigkeiten des neuen formenreichen 
Gegenftandes überwunden lind, aber die Spuren der Ueberwindung noch 
nicht völlig vertilgt erfcheinen. Ein Vollendetes Werkftattbild, weckt es 
dennoch die Meinung, dafs Raffael, wenn ihn ein mächtig wogendes 
grofses Leben umgeben hätte, noch Vollendeteres geleiftet, namentlich 
den Ton der unmittelbaren Herzenswahrheit {tärker angefchlagen hätte. 
Uebrigens zählte die Grablegung in alten und neuen Zeiten zu den be- 
rühmteften Schöpfungen Raffaefs und wurde, fo lange {ie noch auf ihrem 
urfprünglichen Platze (San Francesco) in Perugia aufgeftellt War, wie ein 
Palladium verehrt. Gerade fo wie die Bewohner von Pescia, als die 
Madonna deliEaldacchino 1697 durch Kauf nach Florenz gelangte, über  
Raub und Kirchenfchändung fchrieen und ihrem Grimm in Spottverfen 
über diefe fchlechte Welt (questo mondo in sostantia e un mondaccio) 
Luft machten, proteftirten auch die Prioren von Perugia gegen die eigen- 
mächtige Schenkung der Grablegung durch die Mönche von S. Francesco 
1608 an den Cardinal Borghefe. Doch ohne Erfolg. f) Die Grablegung 
befindet {ich noch heute in der Galerie Borghefe in Rom, die Predellen- 
bilder, erPc in den Jahren der franzöfifchen Revolution aus Perugia ent- 
fernt, fchmücken die vaticanifche Gemäldefammlung. 
Giornale 
d'erudizione 
artistica 
2251 
334-
	        
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