132 III. DIE MADONNEN RAFFAELS.
Adonis pulfirt, zeigen die krampfhaft gezerrten Finger und Zehen, das
fagen das behutfame Auftreten der Träger, die gefpannten Blicke der
Beiftehenden und offenbart vor allem die bgemifchte Empfindung der über
den Körper {ich niederbeugenden Frau. Von leidenfchaftlichem Schmerz
wird fie gepackt, gleichzeitig aber laufcht fie auch ängfilich, ob nicht
doch der Lebensfunke noch glirnme und {ich wieder entzünden laffe.
Endlich aber fehlt die nothwendige Verbindung zwifchen dem vTode
des Adonisa und den anderen Entwürfen zur Grablegung. Keine Gruppe,
keine Geftalt, keine Form kommt auf der letzteren iror, zu welcher die
Adoniszeichnung den Anitofs gegeben hatte; find fcheinbar ähnliche
Bewegungen und Stellungen vorhanden, fo find es folche, welche auf
jedem Bilde der Grablegung typifch wiederkehren und von Raffael
älteren Darftellungen derfelben entlehnt werden konnten. Die älteren
Darftellungen gaben ihm zugleich die Richtfchnur für die Anordnung
der Hauptgruppe. Auf den mittelalterlichen Bildern und Kupferftichen
des fünfzehnten Jahrhunderts fpielt die Scene {iets in unmittelbarer Nähe
des Steinfarges, in welchem Chriftus beigefetzt werden follte. Da war
nicht mehr die fortfchreitende Bewegung der Träger am Platze, der eine
derfelben mufste vielmehr fich umwenden, gegen den anderen Träger
kehren, damit der todte Körper ohne Anftofs in den Sarkophag herab-
gelaffen werden könne. Mantegna und Raffael blieben alfo der Tradition
treu; das Ungewöhnliche bei ihnen liegt darin, dafs der Zug noch in
Bewegung zur Gruft und nicht {tillhaltend zur unmittelbaren Beifetzung
im Grabe gedacht wird. Auf keinen Fall bedurfte es vieler Zwifchen-
Hufen, um {ich endlich für die gewählte Anordnung der Hauptgruppe
zu entfcheiden. Sie war in dem Augenblicke fchon gegeben, in welchem
an die Stelle der ßClCPOiitiOQ die vtumulacioa, um den kirchlichen Sprach-
gebrauch zu wiederholen, trat. Die Betrachtung älterer Darftellungen,
das Studium Mantegnas geben den Anftofs zu neuen Entwürfen für
Atalante Baglionfs Bild. Zunächft zeichnete er nach dem nackten Modell
die Träger des Leichnams um jeder Bewegung vollkommen Herr zu
werden. Dasfelbe that er mit dem Oberkörper Chrilti. Beide Blätter
bewahrt die Oxforder Univerfität. Mit der gleichen Sorgfalt bereitete er
die Nebengruppe der ohnmächtigen Madonna vor. Ihm lag auch hier nament-
lich die Richtigkeit der Bewegungen am Herzen und er fuchte {ich zunächft,
wie eine Federzeichnung bei Malcolm zeigt, durch genaue anatomifche
Studien darüber Klarheit zu verfchaffen. (Fig. 46.) Dann aber führte
er (Florenz; Br. 508) die Hauptgruppe in vollfländig bekleideten Figuren
und
Fisher
Facflmiles