DIE
GRABLEGUNG.
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fo dafs eine gegenfeitige Einwirkung wahrfcheinlich erfcheint. Sie traten
{ich aber auch in rein menfchlichen Beziehungen nahe. Trotz des höheren
Alters konnte {ich Francia dem Zauber Raffaefs nicht entziehen. Ihn
bezwang nicht allein die vollendete reine Schönheit der Raffaelfchen
Werke, ihn beftach auch die anrnuthige Perfönlichkeit des jungen Künftlers,
welche er, nach einem Briefe Raffaels und nach einem Sonette Franciaß
zu fchliefsen kennen zu lernen und zu bewundern Gelegenheit ge-
funden hatte. Wahrfcheinlich bei einem Befuche Raffaels in Bologna.
Vafari erzählt zwar nichts von einer Reife Raffaefs nach Bologna; doch
mufs, da eine perfönliche Begegnung mit Francia vor dem Jahre 1508
fefifteht, eine folche angenommen werden, zumal Raffael nach Vafarfs
Bericht zu wiederholten Malen von Florenz aus Reifen unternahm. So
lafst V afari ihn einmal feine Heimath auffuchen und für den Herzog
Guidobaldo da Montefeltro zwei kleine, nicht näher bezeichnete Madonnen-
bilder und einen Chriftus auf dem Oelberge ausführen; im _]ahre_I5o7
wiederholt er, um Privatangelegenheiten zu ordnen, die Reife und hält
fich aufserdem eine geraume Weile in Perugia auf, um ein in Florenz
im Carton entworfenes Werk hier in Farben zu vollenden. Das iPc die
berühmte Grablegung, jetzt in der Galerie Borghefe in Romfkm)
Madonna Atalante Baglioni aus dem berühmten peruflnifchen Herrfcher-
gefchlechte hatte vor längerer Zeit, als Raffael Perugia mit Florenz zu
vertaufchen fich anfchickte, das Bild bei ihm beftellt; mehrere Jahre ver-
gingen, ehe es fertig wurde. Üoch hatte Raffael das Werk keineswegs
vergeffen und den Auftrag unbeachtet bei Seite geftellt. Keine Schöpfung
reifte fo langfam und wurde fo bedachtfam und forgfaltig vorbereitet,
keine Compofltion hat im Laufe der Arbeit fo eindringliche Aenderungen
erfahren, wie die Grablegung. Diefe Aenderungen find mit eben fo vielen
Fortfchritten gleichbedeutend. Mit Recht darf man daher von einer
inneren Entwickelung der Compofition fprechen und an der Hand der
zahlreichen Entwürfe und Studien für das Bild die Gefchichte des letzteren
erzählen, wie es bereits mit dem beften Erfolge C. Robinfon in feinem
Kataloge der Oxforder Handzeichnungen gethan hat.
T
Vafaris Angabe der frühzeitigen Beffellilng des Werkes erklärt die
Möglichkeit fo langer ffetiger Befchäftigung mit demfelben; {ie giebt
a) Der Brief Raffaels v. I. 1508 und
Franciaßs Sonett flnd wiederholt abge-
druckt worden, u. a. bei Vafari III, 5 5 3.
Stiche von Amsler und Volpato.
Die Predella geflochen von Desnoyers.