116
DIE
MADONNEN
RAFFAEDS.
Werke RaffaeTs, der Freske in S. Maria della pace in Rom, copirt, eine
Bequemlichkeit, welche auf einen Schüler fchliefsen läfst. Die allgemeine
Anordnung der Madonna auf dem erhöhten Throne mit den vier Heiligen
zur Seite und den kleinen Engeln zu Füfsen des Thrones fallt aber noch
unzweifelhaft in die Horentiner Periode. F ra Bartolommeo wie Andrea
del Sarto ift diefe Compofltion geläufig gewefen. Vollends mit der
Kunftweife Fra Bartolommeds eng verwandt und als eine Frucht des
befreundeten Zufammenwirkens aufzufaffen ift die Geftalt des Apoftels
Petrus links vom Throne neben einem heiligen Mönche. Die Haltung
und Stellung desfelben, der Wurf des Gewandes entfpricht vollkommen
demiFormenfinn des älteren Freundes und könnte geradezu eine Täufchung
hervorrufen, wenn nicht das Chriltkind auf dem Schoofse der Madonna,
das mit der einen Hand nach der Mutterbruit greift, mit der anderen
fein Füfschen fpielend fafst, dabei den Kopf liebevoll den Heiligen zu-
wendet, {ich als das untrügliche Eigenthum Raffaefs erwiefe.
Die Reihe der florentiner Madonnen Raffaefs ift noch lange nicht
erfchöpft. Auch wenn man von jenen Gemälden abfieht, welche der
Wunfch der Befitzer allein auf Raffael zurückführt und als feine perfön-
lichen Thaten preift, treten mehrere Gemälde und namentlich zahlreiche
Zeichnungen zu den angeführten Werken ergänzend hinzu. In einzelnen
Fällen entwarf Raffael die Compofition und überliefs die Ausführung in
Farben feinen Schülern. Begreiflicher Weife kommen gerade folche
Bilder in vielen Exemplaren vor. Auf der vom Meilter gefchaffenen
Grundlage konnte das jüngere Künftlergefchlecht mit Leichtigkeit grofse
Erfolge erringen. Noch {tattlicher ift die Zahl der Madonnenbilder, welche
{ich blofs in der Form rafch auf das Papier gezeichneter Skizzen erhalten
haben, niemals zur malerifchen Ausführung gelangten. Jedes Madonnen-
motiv erfcheint hier wiederholt durchgearbeitet, für die Madonna mit
dem Buche, für die Madonna, Welche ihr Kind herzt, an {ich prefst, mit
ihm fpielt, bald fitzend, bald ftehend, bald neben ihn knieend, entdeckt
man die verfchiedenartigften Varianten. Zuweilen bilden diefe Zeichnungen
die einzelnen Strahlen, welche fchliefslich zufammenfchiefsen und zu einer
endgiltigen für die Ausführung beftimmten Zeichnung führen. Viel häufiger
aber {ind {ie als ein Ueberfchufs der Phantafle zu betrachten, welche
das einmal angefchlagene Thema in immer neuen Wendungen und leifen
Aenderungen fpielend wiederholt und {ich frohgemuth in folchen freien
Uebungen ergeht. Mehr noch als die ausgeführten Madonnenbilder geben
uns die Madonnenfkizzen das Recht, in diefem Kunßkreife den Mittelpunkt
der Thätigkeit Raffaefs in Florenz zu begrüfsen. Seine Arbeiten greifen
weiter und umfaffen noch andere Aufgaben. Während aber z. B. die