MADONNA
DEL
BALDACCHINO.
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Chriftus und Johannes, jeder von feiner Mutter gehalten, bilden die Bafis,
Jofeph, auf einen Stab geftützt, die Spitze der GruppeQ Sowohl die
Kinder, wie die Frauengeftalten ftimmen in der Stellung im Wefentlichen
überein. Elifabeth und Maria haben {ich auf die. Kniee niedergelaffen,
in ihrem Schoofse fiehen gegen einander geneigt Johannes und das
Chriftkind, Welches von jenem eine Bandrolle mit der Infchrift: XECCC
agnus Deia empfängt. Die ftrenge Symmetrie der Anordnung fiel
urfprünglich weniger auf als noch kleine Engel in den Lüften flatterten.
Sie find einer fogenannten Reftauration zum Opfer gefallen, wie denn
überhaupt die Erhaltung des Bildes viel zu wünfchen übrig läfst. Trotz-
dem bleibt fein Urfprung unanfechtbar. Es ifl von Raffael in den letzten
Jahren feines florentiner Aufenthaltes in der Zeit feiner engften Verbindung
mit Fra Bartolommeo gemalt worden. Für das Erfte fpricht die
Wiederholung eines kleinen Zuges, der auch auf der Madonna mit dem
Stieglitz und der belle jardiniere vorkommt: das Chriftkind ruht mit
feinem Fufse auf dem Fufse feiner Mutter, fowie der Madonnenkopf,
welcher durchaus den ausgebildeten, gereiften Horentiner Typus befltzt.
Das Andere wird durch die Thatfache glaubwürdig gemacht, dafs Fra
Bartolommeo zweimal (h. Familie in der Pitti-Galerie N0. 256 und h.
Familie in der Galerie Corfini in Rom) eine eng verwandte Gruppe
fchuf. Wird auch angeblich durch das Datum das eine Bild (Corfmi)
um ein Jahrzehnt jünger gemacht, fo ift dennoch die Entftehtmg der
Compofition gleichzeitig mit Raffaells Madonna Canigiani unabweisbar.
Von Raffaefs nahen Beziehungen zu Fra Bartolommeo legt endlich
auch das Werk Zeugnifs ab, das er nach Vafarfs Erzählung für eine
HOFentiner Kaufmannsfamilie, Namens Dei, zu malen unternommen, aber
bei feiner Abreife nach Rom ebenfalls unvollendet zurückgelaffen hatte:
die Madonna del Baldacchino in der Pitti-Galeriefii) Das grofse
Geniälde erfcheint gegenwärtig fertig gemalt. Wer hat es vollendet und
Welche Theile erweifen fich aßiifpätere Zuthaten? Erft nach. Raffaefs
Tode kam das Bild aus der Werkftatte des Meifters heraus lind in den
Befitz des Baldaffare Turini, der es der Kirche feiner Geburtsftadt Pescia
widmete. im) In Raffaefs Werkstätte dürfte es demnach feinen Abfchlufs
gefunden haben, aber fchwerlich von der eigenen Hand des MeiPcers.
Die beiden Engel zur Seite des Baldachins erfcheinen nach einem anderen
L
Stich von G. Fofella. Skizze
für den Kopf des jugendlichen Heiligen
111 Lille. Br. 53.
w) Ueber die Schickfale des Bildes
s. Reumont, Kunßblatt 1847. S. 181.
Es kam 1697 in den Beütz der Grofs-
herzoge von Toscana.
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