Volltext: Bis zum Tode Julius II. (Bd. 1)

MADONNA 
MIT 
DEM 
ST IEGLITZ. 
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einer Wiener Skizze (Br. 161) und auf der Horentiner Federzeichnung 
(Br. 520) wird er dargeitellt, wie er ein Knie beugt und ein Rohr-Kreuz, 
das er in den Händen hält, dem iChriItkinde überreicht; eine Auffaffung, 
welche mehr den1 kindlichen Alter entfpricht und harmlofem Spiele fich 
nähert. Diefen Entwürfen geht noch ein Oxforder Studium  I7) 
zur Seite, welches mit ungewöhnlichen technifchen Mitteln (braune Pinfel- 
Zeichnung) Licht und Schatten in grofsen Maffen gliedert. Die Madonna, 
nackt dargeftellt, und das Chriftkind, von ihr mit beiden Händen Bunter- 
lftützt, erfcheinen bereits in derfelben Stellung, wie auf dem Gemälde, 
nur der Typus des Kopfes erfahrt auf dem letzteren eine Veränderung, 
die noch deutlicher auf Leonardds Vorbild hinweift als die Zeichnung 
der Gruppe. Die gleiche Sorgfalt, diefelbe ernft eingehende Vorbereitung 
zeigt die Compofition der Madonna mit dem Stieglitz (Mad. del 
cardellino), welche Vafari als einmfür Lorenzo Nafi beftimmtes Hochzeits- 
gefchenk genau befchreibt, aber in der Zeit unrichtig  viel zu früh  
anfetzt. Die Madonna inmitten einer heiter anmuthigen Landfchaft 
auf einem Steine {itzend hält in ihrer Rechten ein Buch aufgefchlagen, 
in welchem fie aber nicht mehr lieft. Ihr Auge wendet {ich vielmehr 
dein kleinen Johannes zu, welcher ganz in der Weife der italienifchen 
jugend die Thierquälerei harmlos findet, einen armen Stieglitz gefangen 
genommen hat und ihn nun dem Chriftkind, das zwifchen den Knieen 
der Madonna fteht, und ein Füfschen auf dem Fufse derfelben ausruhen 
läfst, zum Spiele darreicht. Es fällt auf, dafs eine gröfsere Innigkeit 
zwifchen der Madonna und dem Johannesknaben waltet, a1; zwifchen der 
Mutter und dem eigenen Kinde. Auf Johannes blickt fle zärtlich herab, 
ihn hält fie mit der Linken urnfafst, Während fle dem Chriftkinde nur 
ganz mechanisch eine Stütze leiht. Natürlich ift das ohne inhaltliche 
Bedeutung und ausfchliefslich durch formelle Gründe hervorgerufen worden. 
Die Gefchichte der Compofition giebt darüber vollftändigen Auffchlufs. 
Zwei Motive erfcheinen in der Madonna del Cardellino verknüpft: die 
Madonna mit dem Buche und das Spiel der beiden Kinder mit dem 
Vogel. "Urfprünglich {tand das Buchmotiv  Vordergrunde und wurde 
erft Vfpäter durch das andere Motiv zurückgedrängt. Zahlreiche Skizzen 
 befonders jene "in Oxford bewahrten und zuerft von -Ruland und 
Robinfon gewürdigten  belegen in überzeugender Weife den Ent- 
wickelungsgang. (Fig. 40.) Das Merkmal, welches felbit fcheinbar entlegene 
Entwürfe mit dem fchliefslich ausgeführten Bilde verknüpft, ift die Stellung 
der Kinder. Ihre Wiederholung läfst auf einen engeren Zufammenhang 
Stiche 
VOI1 
Morghen 
und 
Krüger.
	        
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