Das
YVcsen
des
Dichters.
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wichtern folgend; Goethe verteidigt gegen dieses harte
Wort den Poeten in seinem ,Divan,") indem er ihn als
Unbewufsten, Unzurechnungsfähigen hinstellt:
nWVcifs denn der, mit Wem er geht und wandelt?
Er, der irnmef nur im XVahnsinn handelt!
Grenzenlos. von eigcnsinn'gem Lieben
Wird er in die Öde fortgctriebcn,
Seiner Klagen Reim, in Sand geschrieben,
Sind vom Winde gleich verjagt:
Er versteht nicht, was er sagt;
NVas er sagt, wird er nicht halten."
Zu einem unfreiwilligen Handeln, einer Art Geistes-
zzwang wird das künstlerische Schaffen namentlich, sobald
die Anfänge eines Werkes entstanden sind. Da gewinnt
das Werk unmerklich ein eigenes Leben, es läfst den
Urheber nicht los, es scheint ihn hierhin und dahin zu
ziehen; schliefslich wird unklar, wer eigentlich Herr ist,
wer eigentlich schafft. Man sollte oft unpersönlich sagen:
es dichtet, es malt in mir. Der Vergleich mit einem
Liebesabenteuer liegt nahe: auch da sind wir höchstens
im ersten Anfang völlig Meister unseres Handelns.
"Zufällig naht man sich, man fühlt, man bleibt,
Und nach und nach wird man verflochten;
Es wächst das Glück, nun wird es angefochten;
Man ist entzückt, dann kommt der Schmerz heran,
Und ch" man sich's versieht, ist's eben ein Romanf")
Eine kleine Erzählung dachte Goethe zu schreiben,
als er den Plan zu den ,Wahlverwandtschaften' entwarf;
ein Roman von zwei Bänden wurde daraus. Als der
I) Divan II, 2.
W. Bude, Goethes
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E) Vorspiel zu Iraust.
Ästhetik. 6