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Goethes
Ästhetik.
„Ich kann das Gedicht nicht wieder los werden,"
sagte Eckennanxi und er fing laut an zu wiederholen:
"Du hast mir mein Gerät verstellt und verschoben:
Ich suche und bin wie blind und irre geworden"
"Es bringt uns einen düsteren Zustand vor Augen,"
meinte Goethe.
„Es macht mir den Eindruck eines Bildes," versetzte
der jüngere, „eines niederländischen."
S0 ging das Gespräch weiter.
„Es ist mir immer, als wäre es gereilnt, und doch
ist es nicht so. Woher kommt das?"
"Das liegt im Rhythmus", antwortete Goethe und
zeichnete mit einem Bleistifte den eigenartigen Tonfall
auf, zuerst einen Vorschlag, dann Trochäen, gegen das
Ende einen Daktylus, der eigenartig wirkt.
"Vdn meinem breiten Ldger lbin ich ver-ltricbcnu
„Der Takt," fuhr er fort, "kommt aus der poetischen
Stimmung wie unbewufst. Wollte man darüber denken,
wenn man ein Gedicht macht, man würde verrückt
und brächte nichts Gescheites zustande."
Gerade dieses Rätselhafte an dem Gedichte war es
eben, was Eckermann beschäftigte.
„Wie Sie zu dem Gefühl eines solchen Zustandes
gekommen sind, begreife ich kaum; das Gedicht ist
wie aus einer anderen Zeit und aus einer anderen Welt."
„Ich werde es auch nicht zum zweitenmale machen,"
antwortete Goethe, „und wüfste auch nicht zu sagen,
wie ich dazu gekommen bin." 1)
Eckermann,
April