Vom Wirklichen zur Kunst. 51
Teile des ,Faust', an dem er damals arbeitete, ein
Mäidchenchor, der Helena begleitet, mit einemmale die
Mlidchenart verleugnet und ernst reflektierend Dinge
ausspricht, an die diese Mädchen doch nie denken
konnten. Eckermann dachte sogleich wieder an die
Landschaft mit dem doppelten Schatten und meinte:
„Solche kleinen Widersprüche können bei einer dadurch
erreichten höhern Schönheit nicht in Betracht kommen.
Das Lied muliste nun einmal gesungen werden, und da
kein anderer Chor gegenwärtig war, so muEsten es die
Mädchen singen."
"Mich soll nur wundern," sagte Goethe lachend,
i„was die deutschen Kritiker dazu sagen werden; ob sie
werden Freiheit und Kühnheit genug haben, (larüber
hinwegzukoinnien. Den Franzosen wird der Verstand
im Wege sein, und sie werden nicht bedenken, dafs die
Phantasie ihre eigenen Gesetze hat, denen der Verstand
nicht beikommen kann und soll. Wenn durch die
Phantasie nicht Dinge entstanden, die für den Verstand
ewig problematisch bleiben, so wäre überhaupt zu der
Phantasie nicht viel. Dies ist es, wodurch sich die
Poesie von der Prosa unterscheidet, bei welcher der
Verstand immer zu Hause ist und sein mag und soll."
Ebenso Llrteilte Goethe, als ein ihm von Ernst Förster
vorgelegtes Gemälde in seiner Komposition das Natur-
mögliche überschritt!) Es stellte die Theologie dar
und war für die Universität Bonn bestimmt. Da sah
man Rom, das Siebengebirge und Wittenberg friedlich
neben einander, und Apostel, Kirchemtiiter und Re-
formatoren standen zusammen.
Biedermann
V
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1825-